Leitsatz

  1. Ausschluss einer Zustellungsbevollmächtigung des Verwalters nur bei konkreter Gefahr unzureichender und unsachgerechter Information der Eigentümer
  2. Abberufung des Verwalters durch richterliches Gestaltungsurteil (wegen fehlerhafter Abrechnung, unsachgemäßer Beschluss-Sammlungsführung, rechtswidriger Belastung des Gemeinschaftskontos und unberechtigtem Ausschluss eines Eigentümers aus der Eigentümerversammlung)
 

Normenkette

§§ 21 Abs. 8, 24 Abs. 7, 8, 26 Abs. 1 Satz 4, 27 Abs. 1 Nr. 7, 45 Abs. 1 WEG

 

Kommentar

  1. Vorliegend war zur Frage der Zustellungsvertretung des Verwalters nicht von bestehender Gefahr i.S.d. § 45 Abs. 1 WEG auszugehen, der Verwalter werde die Wohnungseigentümer nicht sachgerecht unterrichten. Überdies ist er auch seinen Informationspflichten nach § 27 Abs. 1 Nr. 7 WEG unstreitig tatsächlich nachgekommen, weshalb auch konkrete Gefahr zu keinem Zeitpunkt bestand.

    Von einem Ausschluss der Zustellungsvertretung ist in Gesetzesauslegung des § 45 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. WEG erst dann auszugehen, wenn eine konkrete Gefahr eines Interessenkonflikts des Verwalters vorliegt, nicht also allein die abstrakte Gefahr eines Konflikts. Insoweit ist hier auch an die Rechtsprechung vor Reform des WEG anzuknüpfen, und damit auch die neugesetzliche Regelung restriktiv auszulegen. Abzulehnen ist die Meinung, dass bereits dann von einem Ausschluss zu sprechen ist, wenn die Möglichkeit einer nicht sachgerechten Unterrichtung im Hinblick auf den Streitgegenstand nicht fern liegt (so früher Bärmann/Klein, 11. Aufl. 2010, § 45 Rn. 18). Diese Einschränkung auf abstraktes Fehlverhalten findet im Gesetzeswortlaut keine Stütze. Es muss also ein in der Sache begründeter Interessenkonflikt vorliegen, der ganz konkret die Befürchtung rechtfertigt, der Verwalter werde die übrigen Eigentümer über den Verlauf anhängiger Verfahren nicht ordnungsgemäß unterrichten. Damit ist eine Zustellung an den Verwalter nicht bereits von vornherein ausgeschlossen, wenn etwa eine Klage über die Ungültigerklärung eines Beschlusses zur Entlastung des Verwalters oder seiner Abberufung erhoben wird. Von konkreter Gefahr ist erst dann zu sprechen, wenn ein echter Konflikt zwischen den Interessen des Verwalters und den übrigen von ihm vertretenen Eigentümern auftritt (so auch seinerzeitige Rechtsprechung des BayObLG, etwa NZM 2002 S. 346). Das Vertrauensverhältnis muss hier aufgrund von Pflichtverletzungen des Verwalters nachhaltig gestört sein, was vorliegend zu verneinen war.

  2. Allerdings wurde der Negativbeschluss zur sofortigen Abberufung des Verwalters aus wichtigem Grund mit fristloser Kündigung des Verwaltervertrags zu Recht für ungültig und damit gerichtlich für beschlossen erklärt (in Bestätigung auch der vorausgehenden amtsgerichtlichen Entscheidung). Der Verwalter hätte vorliegend hinsichtlich mehrerer Abrechnungspositionen ohne Abgrenzung und ohne Saldierung darstellen müssen, also auch keine Einnahmen berücksichtigen dürfen, die erst im Folgejahr als tatsächliche Erstattungen zu berücksichtigen waren. Auch seine Entlastung war ungültig, da vorliegend wegen fehlerhafter und angefochtener Abrechnung auch noch Ergänzungsansprüche gegen den Verwalter in Betracht kamen. Weiterhin hatte der Verwalter entgegen gesetzlicher Vorgabe in § 26 Abs. 1 Satz 4 WEG die Beschluss-Sammlung nicht ordnungsgemäß geführt, da er gegen ihn ergangene Entscheidungen entgegen seiner Verpflichtung aus § 24 Abs. 7 und 8 WEG bisher nicht in die von ihm zu führende Beschluss-Sammlung aufgenommen und eingetragen hatte. Selbst nachträgliche Ergänzung der Beschluss-Sammlung änderte am Vorliegen dieses gesetzlichen Abberufungsgrundes nichts, weil sie verspätet erfolgte, d.h. nicht unverzüglich im Rahmen eines maximal anzunehmenden Zeitraums von 3 Tagen (Jennißen, § 26 Rn. 157; Elzer/Fritsch/Meier, Wohnungseigentumsrecht § 1 Rn. 328). Die Vertragskündigung musste hier auch nicht vorausgehend abgemahnt werden. Weiterhin hat der Verwalter Verfahrenskosten, die ihm in einem Vorverfahren im Urteil auferlegt wurden, dem Konto der Gemeinschaft in strafrechtlich relevanter Weise zunächst entnommen; spätere Rückgängigmachung ändert an einer solchen schweren Pflichtverletzung nichts. Auch wurde ein hier klagender Eigentümer rechtswidrig vom Verwalter aufgefordert, die Versammlung zu verlassen, was auch geschehen ist; dies stellt sich als schwerer Eingriff in den Kernbereich mitgliedschaftlicher Rechte eines jeden Eigentümers dar; auf hypothetische Kausalitätserwägungen des Versammlungsbeschlusses für das Beschlussergebnis war insoweit nicht abzustellen, da es im Ergebnis nicht auszuschließen war, dass Eigentümer im Beisein des Klägers anders entschieden hätten.
  3. Revisionszulassung wurde verneint auch hinsichtlich der noch nicht höchstrichterlich entschiedenen Frage, ob der Ausschluss einer Zustellungsvertretung des Verwalters eine konkrete oder nur abstrakte Gefahr voraussetzt. Allerdings fordert die überwiegende Meinung bisher in Rechtsprechung und Literatur das Vorliegen einer k...

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