Leitsatz

  1. Ausschluss der Zustellungsbevollmächtigung des Verwalters nur bei konkreter Gefahr nicht sachgerechter Information der Eigentümer
  2. Ein Verwalterbestellungsbeschluss verstößt nur dann gegen Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn ein wichtiger, gegen seine Wahl sprechender Grund vorliegt
 

Normenkette

§§ 45 Abs. 1 und 26 Abs. 2 WEG

 

Kommentar

  1. § 45 Abs. 1 WEG findet auch bei gerichtlichen Auseinandersetzungen der Wohnungseigentümer untereinander Anwendung (BT-Drucks. 16/887 S. 36); Auch hier ist der Verwalter grundsätzlich Zustellungsvertreter der Eigentümer, wenn diese Beklagte sind. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn der Verwalter als Gegner der Eigentümer an einem Verfahren beteiligt ist oder wenn aufgrund des Streitgegenstands die Gefahr besteht, er werde die Eigentümer nicht sachgerecht unterrichten. Umstritten ist insoweit, ob für einen Ausschluss der Zustellungsvertretung des Verwalters die abstrakte Gefahr nicht sachgerechter Unterrichtung ausreicht oder ob Zustellungsvollmacht nur bei einer konkreten Interessengefährdung entfällt. Bisher wurde dies vom Senat offengelassen (vgl. BGH, ZWE 2011 S. 218/219 und NJW 2009 S. 2135/2136).
  2. In diesem Meinungsstreit schließt sich nun der Senat der überwiegend vertretenen Auffassung an, dass eine Zustellungsvertretung des Verwalters nur dann ausgeschlossen ist, wenn eine konkrete Gefahr sachwidriger Information besteht. Eine solche ist nur dann gegeben, wenn ein echter Konflikt zwischen den Interessen des Verwalters und den übrigen, von ihm vertretenen Eigentümern auftritt, etwa wenn das Vertrauensverhältnis zwischen dem Verwalter einerseits und einigen oder allen von ihm vertretenen Wohnungseigentümern andererseits nachhaltig gestört ist (BayObLG, NJW-RR 1989 S. 1168/1169; NJW-RR 2002 S. 732/733; Landgericht Dresden, ZMR 2010 S. 629/630; Suilmann in Jennißen, WEG, 2. Aufl., § 45 Rn. 15 f.; Elzer in Timme, WEG, § 45 Rn. 34; Engelhardt in Münchner BGB-Ktr., 5. Aufl., § 45 WEG Rn. 5; Briesemeister, ZWE 2009 S. 270/273 u.a.).

    Die rein formale Beurteilung der Frage eines Interessenkonflikts abstrakt anhand des Verfahrensgegenstands läuft dem angestrebten Vereinfachungs- und Kostenentlastungseffekt nach Gesetzesbegründung zuwider und hat auch die wenig praxisnahe Folge, dass dann Wohnungseigentümer nach § 45 Abs. 2 WEG einen Ersatzzustellungsvertreter (mit entsprechendem Haftungsrisiko, vgl. Hogenschurz, ZMR 2005, S. 764) bestellen müssten, selbst wenn aufgrund eines ungestörten Vertrauensverhältnisses sichergestellt ist, dass der Verwalter die Eigentümer über den Verlauf eines gegen ihn anhängigen Verfahrens ordnungsgemäß unterrichten werde. Um die Informationsrechte der Eigentümer zu wahren, genügt es deshalb, den Verwalter nur dann als Zustellungsvertreter auszuschließen, wenn konkret ein Konflikt zwischen den Interessen des Verwalters und den übrigen von ihm vertretenen Eigentümern auftritt. Solange hingegen für ein Gericht im Zeitpunkt der Entscheidung über die Durchführung der Zustellung keine in der Sache begründeten Umstände ersichtlich sind, die konkret die Gefahr einer nicht sachgerechten Information der Eigentümer rechtfertigen, ist der Verwalter zulässiger Zustellungsvertreter.

  3. Selbst im Fall einer streitgegenständlichen Beschlussfassung über die Bestellung des Verwalters, die auch seine Rechtsstellung betrifft, begründet dies für sich genommen noch nicht die Gefahr, der Verwalter werde die Eigentümer über ein solches anhängiges Verfahren nicht sachgerecht unterrichten (a.A. Riecke/Schmidt/Abramenko, WEG, 3. Aufl., § 45 Rn. 5). Auch im vorliegenden Fall bestätigte letztendlich auch der spätere Geschehensablauf die Einschätzung des Amtsgerichts, dass die Gefahr einer nicht sachgerechten Unterrichtung nicht vorgelegen habe. Auch nach Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Verwalter die beklagten Eigentümer über den anhängigen Rechtsstreit durch Übermittlung der Klageschriften tatsächlich informiert.

    Er war damit auch gemäß § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG berechtigt, Rechtsmittel einzulegen (hier: Einspruch gegen ein ergangenes Versäumnisurteil).

  4. Eine Beschlussfassung über die Bestellung eines Verwalters verstößt gegen Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der gegen die Wahl dieses Verwalters spricht. Ein wichtiger Grund ist gegeben, wenn unter Berücksichtigung aller, nicht notwendig vom Verwalter verschuldeter Umstände nach Treu und Glauben eine Zusammenarbeit mit dem zu bestellenden Verwalter unzumutbar und das erforderliche Vertrauensverhältnis von Anfang nicht zu erwarten ist (h.M.). Vorliegend hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei keinen wichtigen Grund gesehen, der gegen die Bestellung des Verwalters sprach.
 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil v. 9.3.2012, V ZR 170/11

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