Ob ein von seinem ausländischen Arbeitgeber zur vorübergehenden Tätigkeit im Inland entsandter Arbeitnehmer Anspruch auf Kindergeld hat, richtet sich nach den allgemeinen Regelungen bzw. den über- und zwischenstaatlichen Vorschriften. Dies gilt auch für Saisonarbeitskräfte und Werkvertragsarbeitnehmer.

Die Frage, ob

  • von ihrem ausländischen Arbeitgeber zur vorübergehenden Beschäftigung nach Deutschland entsandte Arbeitnehmer und
  • vorübergehend in Deutschland beschäftigte Saisonarbeitnehmer,

die EU-Staatsangehörige sind, Anspruch auf deutsches Kindergeld haben, hat der EuGH entschieden.[1] Zusammenfassend ist festzustellen, dass der EuGH in der Regelung von § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG (Ausschluss von Kindergeld wegen ausländischer Familienleistungen) einen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht sieht, wenn aufgrund der im anderen Mitgliedsstaat gewährten, dem Kindergeld vergleichbaren Leistung der Anspruch auf inländisches Kindergeld völlig wegfällt. Die Anrechnung der ausländischen Familienleistung und die daraus folgende Zahlung eines inländischen Differenzkindergeldes hält der EuGH jedoch für zulässig.

In den beiden zugrunde liegenden BFH-Verfahren[2] erließ die Familienkasse jeweils Änderungsbescheide, in denen sie inländisches Differenzkindergeld zugunsten der Kläger festsetzte. Nach den jeweiligen Erledigungserklärungen in der Hauptsache sind die Verfahren ohne Urteil abgeschlossen.[3] Im Urteil v. 16.5.2013[4] entschied der BFH im Fall eines polnischen Saisonarbeitnehmers zugunsten des Anspruchs auf Differenzkindergeld bei Vorliegen der Voraussetzungen von § 1 Abs. 3 EStG.

Sehr informativ und ausführlich stellt das Urteil des FG Düsseldorf v. 13.7.2011[5] die komplizierte Rechtslage dar.

Der an sich nach Art. 68 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz der VO Nr. 883/2004 vorgesehene Differenzbetrag muss gem. Satz 3 nicht für Kinder gewährt werden, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, wenn der entsprechende Leistungsanspruch ausschließlich durch den Wohnort ausgelöst wird. Erfüllt ein nach Deutschland entsandter Arbeitnehmer die Voraussetzungen nach §§ 62 f. EStG, wird sein Anspruch durch den Wohnort ausgelöst, wenn er die Beschäftigung nur im Rahmen einer Entsendung ausübt und auch sonst im Inland weder eine den deutschen Rechtsvorschriften unterliegende Erwerbstätigkeit ausübt noch eine Rente bezieht. Dies gilt auch für den Fall, dass der Anspruch nach nationalem Recht aufgrund einer fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG begründet wird. Soweit jedoch kein Anspruch auf Familienleistung in dem anderen Mitgliedstaat besteht, ist Art. 68 Abs. 2 Satz 3 der VO (EG) Nr. 883/2004 mangels konkurrierender Ansprüche nicht anwendbar.[6]

Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Koordinierungsregeln des Art. 68 VO (EG) Nr. 883/2004 und damit auch eines Ausschlusses nach Art. 68 Abs. 2 Satz 3 der VO (EG) Nr. 883/2004 ist immer eine echte Anspruchskonkurrenz, d. h. tatsächlich konkurrierende Ansprüche auf Familienleistungen in einem anderen EU-Mitgliedstaat.[7]

 
Hinweis

Änderung nach § 70 Abs. 3 EStG

Die richtige Korrekturvorschrift bei einer Änderung der Rechtsauffassung durch die Familienkasse ist § 70 Abs. 3 EStG. Eine Änderung ist in diesem Fall – anders als bei einer Änderung der Verhältnisse – nach dem Wortlaut der Regelung lediglich ex nunc möglich, d. h. konkret ab dem auf die Bekanntgabe der Aufhebung der Festsetzung folgenden Monat.

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