Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer. Verordnung (EWG) Nr. 1408/71. Art. 14 Nr. 1 Buchst. a und Art. 14a Nr. 1 Buchst. a. Art. 45 AEUV und 48 AEUV. Vorübergehende Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dessen Gebiet die Tätigkeit normalerweise ausgeübt wird. Familienleistungen. Anzuwendende Rechtsvorschriften. Möglichkeit der Gewährung von Kindergeld durch den Mitgliedstaat, in dem die vorübergehende Beschäftigung ausgeübt wird, aber der nicht der zuständige Staat ist. Anwendung einer Antikumulierungsregel des nationalen Rechts, wonach diese Leistung ausgeschlossen ist, wenn eine vergleichbare Leistung in einem anderen Staat bezogen wird

 

Beteiligte

Hudzinski

Waldemar Hudzinski

Jaroslaw Wawrzyniak

Agentur für Arbeit Wesel – Familienkasse

Agentur für Arbeit Mönchengladbach – Familienkasse

 

Tenor

1. Art. 14 Nr. 1 Buchst. a und Art. 14a Nr. 1 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten Fassung, diese wiederum geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 647/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. April 2005, sind dahin auszulegen, dass sie es einem Mitgliedstaat, der nach diesen Vorschriften nicht als zuständiger Staat bestimmt ist, nicht verwehren, nach seinem nationalen Recht einem Wanderarbeitnehmer, der unter Umständen wie denen der Ausgangsverfahren in seinem Hoheitsgebiet vorübergehend eine Arbeit ausführt, auch dann Leistungen für Kinder zu gewähren, wenn erstens festgestellt wird, dass der betreffende Erwerbstätige durch die Wahrnehmung seines Rechts auf Freizügigkeit keinen Rechtsnachteil erlitten hat, da er seinen Anspruch auf gleichartige Familienleistungen im zuständigen Mitgliedstaat behalten hat, und zweitens, dass weder dieser Erwerbstätige noch das Kind, für das diese Leistung beansprucht wird, ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet des Mitgliedstaats haben, in dem die vorübergehende Arbeit ausgeführt wurde.

2. Die Bestimmungen des AEU-Vertrags über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer sind dahin auszulegen, dass sie in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden der Anwendung einer nationalen Rechtsvorschrift wie § 65 des Einkommensteuergesetzes entgegenstehen, soweit diese nicht zu einer Kürzung des Betrags der Leistung um die Höhe des Betrags einer in einem anderen Staat gewährten vergleichbaren Leistung, sondern zum Ausschluss der Leistung führt.

 

Tatbestand

In den verbundenen Rechtssachen

betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Beschlüssen vom 21. Oktober 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 23. Dezember 2010, in den Verfahren

Waldemar Hudzinski

gegen

Agentur für Arbeit Wesel – Familienkasse (C-611/10)

und

Jaroslaw Wawrzyniak

gegen

Agentur für Arbeit Mönchengladbach – Familienkasse (C-612/10)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, J. N. Cunha Rodrigues, K. Lenaerts, J.-C. Bonichot, J. Malenovský und M. Safjan, der Kammerpräsidentin A. Prechal (Berichterstatterin) sowie der Richter G. Arestis, A. Borg Barthet, M. Ilešič, J.-J. Kasel und D. Šváby,

Generalanwalt: J. Mazák,

Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. Dezember 2011,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn Hudzinski und Herrn Wawrzyniak, vertreten durch Rechtsanwalt N. Lamprecht,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und K. Petersen als Bevollmächtigte,
  • der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Fehér, K. Szíjjártó und K. Veres als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch V. Kreuschitz und S. Grünheid als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. Februar 2012

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 14 Nr. 1 Buchst. a und Art. 14a Nr. 1 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 28, S. 1) geänderten und aktualisierten Fassung, diese wiederum geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 647/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. April 2005 (ABl. L 117, S. 1) (im Folgenden: Verordnung Nr. 1408/71), sowie der Bestimmungen des AEU-Vertrags über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und das Diskriminierungsverbot.

Rz. 2

Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen Herrn Hudzinski und der Agentur für Arbeit W...

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