Zur Bestimmung des Personenkreises, der Anspruch auf inländisches Kindergeld für ein zu berücksichtigendes Kind im Ausland hat, ist grundsätzlich § 62 EStG maßgebend. Neben § 62 EStG kann sich ein Anspruch auf inländisches Kindergeld nach dem EStG auch aus überstaatlichem Recht (EU-/EWR-Staaten und die Schweiz) oder aus zwischenstaatlichem Recht ergeben. Dadurch wird der Kreis der kindergeldberechtigten Personen bzw. der Kreis der zu berücksichtigenden Kinder erweitert.

Zu den zwischenstaatlichen Vorschriften, die einen Anspruch auf Kindergeld begründen können, der sich nicht bereits aus § 62 EStG oder aus § 63 EStG ergibt, gehören die Abkommen über Soziale Sicherheit, die die Bundesrepublik Deutschland mit mehreren Staaten (Vertragsstaaten) geschlossen hat (Sozialabkommen[1]). Ihre Hauptbedeutung haben die Sozialabkommen für die Erweiterung des Kreises der zu berücksichtigenden Kinder, wenn diese ihren Wohnsitz in einem der Abkommensstaaten haben.

1.1.1 Anspruchsberechtigung aus § 62 EStG

Nach § 62 EStG haben folgende Personen Anspruch auf Kindergeld[1]:

  • Deutsche, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (dazu gehören auch Vertriebene und Spätaussiedler).
  • Deutsche, die der erweiterten unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 2 EStG unterliegen (Auslandsbeamte, Mitglieder des konsularischen oder diplomatischen Dienstes usw.), und unter bestimmten Voraussetzungen Angehörige, die zu deren ausländischem Haushalt gehören.
  • Personen ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, die nach § 1 Abs. 3 EStG auf Antrag als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt werden (fiktiv unbeschränkt Steuerpflichtige). Voraussetzung ist, dass das Finanzamt im maßgeblichen Einkommensteuerbescheid dem Antrag entsprochen hat.[2]

    Beruht der Bescheid nicht auf falschen Angaben des Steuerpflichtigen, ist er für die Familienkasse auch bindend, wenn er materiell-rechtliche Fehler aufweist.[3]

    Kindergeldanspruch besteht für die Monate, in denen der Anspruchsteller Einkünfte i. S. d. § 49 EStG erzielt.[4]

  • nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländer, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben und im Besitz einer Niederlassungserlaubnis bzw. einer Aufenthaltserlaubnis (mit weiteren Voraussetzungen)[5] sind.[6] Ab 1.1.2020 besteht Anspruch bei Beschäftigungsduldung und ab 1.3.2020 wird der Kreis der Anspruchsberechtigten hinsichtlich des Besitzes einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU, des Besitzes der Blauen Karte EU, der ICT-Karte und der Mobilen ICT-Karte usw. erweitert und darüber hinaus u. a. der geforderte Mindestaufenthalt verkürzt (Änderungen des Aufenthaltsgesetzes nach Inkrafttreten des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes).[7]

    Ergibt sich aus der Dauer bzw. den Nebenbestimmungen eines Visums, dass dieses zu einem Aufenthaltszweck erteilt wird, der regelmäßig auch die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Folge hat und dieser zum Kindergeldbezug berechtigt, steht das Visum dem Aufenthaltstitel gleich.[8]

Bei beschränkter Steuerpflicht besteht kein Anspruch auf inländisches Kindergeld und Differenz-Kindergeld. Die Vorrangregelungen nach den VO EU zur Auflösung von konkurrierenden Ansprüchen greifen nur bei unbeschränkter Steuerpflicht des Anspruchsberechtigten.

[1]

Einzelheiten zur jeweiligen Anspruchsberechtigung s. Kindergeld.

[5] DA A 4.1 Abs. 2 und 4.3 DA-KG 2023.
[6] § 62 Abs. 2 EStG i. d. F. des Art. 3 des Gesetzes zur weiteren Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften, BStBl 2020 I S. 17.
[7] BZSt, Einzelweisung v. 13.8.2020, BStBl 2020 I S. 661,

s. Kindergeld.

[8] FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 24.11.2022, 1 K 21/22,

DA A 4.1 Abs. 2 Satz 2 DA-KG 2023.

1.1.2 Anspruchsberechtigung aus EU- bzw. EWR-Vorschriften

Aufgrund der EU- und EWR-Regelungen müssen Staatsangehörige aus anderen EU-/EWR-Staaten[1], die im Inland einen Wohnsitz haben, nicht im Besitz einer Niederlassungserlaubnis oder einer Aufenthaltserlaubnis sein, damit sie Anspruch auf Kindergeld haben. § 62 Abs. 2 EStG ist daher nicht anzuwenden auf freizügigkeitsberechtigte Ausländer, d. h. Staatsangehörige der EU-/EWR-Staaten und ihre Familienangehörigen, deren Rechtstellung von dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) geregelt ist. Für sie gelten dieselben Voraussetzungen wie für Inländer. Im Übrigen ist Voraussetzung für den Anspruch auf Kindergeld, dass der Staatsangehörige eines anderen EU-/EWR-Staates nach § 62 Abs. 1a Satz 3 EStG i. V. m. § 2 Abs. 2 und 3 FreizügG/EU und freizügigkeitsberechtigt ist.[2] Für Schweizer Staatsangehörige[3] gilt dies entsprechend. Bei britischen Staatsangehörigen[4] ist entscheidend, ob bereits vor dem 1.1.2021 ein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland oder einem anderen Mitgliedsstaat begründet war ("Bestandsschutz"). In di...

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