Leitsatz (nicht amtlich):

Die in § 93 AO enthaltene Auskunftspflicht dient der Ermittlung steuerrelevanter Tatbestände und damit dem Gemeinwohl. Dass der Gesetzgeber dieses Interesse grundsätzlich höher gewichtet als das Interesse von Unternehmen, ihnen bekannte, für die Vollstreckung relevante Daten nicht preisgeben zu müssen, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

 

Zum Sachverhalt:

Das BVerfG hat im Verfahren nach § 93a BVerfGG eine Verfassungsbeschwerde eines Energieversorgungsunternehmens nicht zur Entscheidung angenommen. Das Unternehmen war vom Finanzamt aufgefordert worden, ihm gegebenenfalls bekannte Kontoverbindungen diverser steuersäumiger Kunden mitzuteilen. Für den Fall der Nichtbefolgung drohte das Finanzamt ein Zwangsgeld an. Rechtsmittel des Unternehmens blieben in letzter Instanz beim BFH erfolglos. Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde nunmehr mangels Erfolgsaussichten nicht zur Entscheidung angenommen.

 

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Pflicht eines Energieversorgungsunternehmens, den Finanzämtern im Rahmen der Vollstreckung von Steuerforderungen nach § 93 AO Auskunft über die Kontoverbindungen ihrer Kunden erteilen zu müssen.

Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.

  1. 1. Es kann dahinstehen, ob die Verfassungsbeschwerde in jeder Hinsicht zulässig ist. Insbesondere kann offen bleiben, wieweit die Beschwerdeführerin als Energieversorgungsunternehmen in der Rechtsform einer juristischen Person des Privatrechts mit staatlicher Beteiligung in Höhe von 25,1 % des Aktienkapitals sich gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auf Grundrechte berufen kann. Jedenfalls hat die Verfassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg.
  2. 2. Die angegriffenen Entscheidungen des BFH[1] halten der verfassungsrechtlichen Prüfung stand. Diese Prüfung ist auf die Frage beschränkt, ob Auslegungsfehler vorliegen, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs, beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht sind. Eine Grundrechtswidrigkeit liegt nicht schon dann vor, wenn sich bei einer durch gesetzliche Generalklauseln aufgetragenen Abwägung widerstreitender Interessen über die vom Gericht vorgenommene Wertung streiten lässt[2]. Auch etwaige Ermessensfehler im Rahmen einer Verwaltungsentscheidung unterliegen nur einer im Umfang eingeschränkten Prüfung[3].
  1. a) Es bedarf keiner Klärung der bislang in der Rechtsprechung des BVerfG offen gebliebenen Fragen, ob in Fällen wie dem Vorliegenden das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung[4] oder auf Eigentumsfreiheit[5] bzw. auf Berufsfreiheit[6] einschlägig ist und wieweit juristische Personen sich auf diese Grundrechte, insbesondere auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, berufen können. Auch kann offen bleiben, ob der grundrechtliche Schutzbereich im Hinblick auf die informationelle Selbstbestimmung der Beschwerdeführerin überhaupt eröffnet wäre. Dies ist insofern zweifelhaft, als es sich bei den fraglichen Daten um solche aus dem Verfügungsbereich der Kunden der Beschwerdeführerin handelt, nicht aber um ihre eigenen Daten[7].
  2. b) Jedenfalls ist der als verfassungswidrig gerügte Eingriff verfassungsrechtlich gerechtfertigt, einerlei, ob er dem Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung oder auf Berufs- bzw. Eigentumsfreiheit zuzuordnen ist. Er beruht auf einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Grundlage - § 93 Abs. 1 AO -, ist durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls begründet (aa) und verletzt den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht (bb).
  3. aa) Die in § 93 AO enthaltene Auskunftspflicht dient dem Ziel, durch die Inpflichtnahme Privater die Ermittlung steuerrelevanter Tatbestände zu fördern und so für eine wirkungsvolle und gleichmäßige Erfüllung von Steuerschulden Sorge zu tragen. Dies ist ein Gemeinwohlbelang, der die Heranziehung der Beschwerdeführerin in gleicher Weise rechtfertigt wie die Einschaltung von Kreditinstituten bei der Einbehaltung und Abführung der Kapitalertragsteuer[8]. Dass der Gesetzgeber dieses Interesse grundsätzlich höher gewichtet als das Interesse von Unternehmen, ihnen bekannte, für die Vollstreckung relevante Daten nicht preisgeben zu müssen, ist von Verfassungswegen nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber hat den ihm er-
  1. öffneten Einschätzungsspielraum in vertretbarer Weise ausgefüllt.
  2. bb) Die ausführlichen und nachvollziehbaren Darlegungen des BFH belegen, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Hinblick nicht nur auf die gesetzliche Grundlage, sondern auch auf das konkrete Auskunftsverlangen nicht verletzt ist.

Die Anfrage des Finanzamts ist zur Ermittlung der gewünschten Daten geeignet. Ernstliche Zweifel an der Erforderlichkeit der Mitwirkung der Beschwerdeführerin werden von ihr nicht substantiiert geltend gemacht. Die plausiblen Ausführungen des BFH zu...

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