Leitsatz

Zu den zentralen Neuregelungen des ab 01.01.2008 geltenden Unterhaltsrechts gehört die Herabsetzung und Befristung von Unterhaltsansprüchen gemäß § 1578b BGB. In der Entscheidung des OLG Bremen war das wichtiges Problem die Frage, ob eine Herabsetzung und/oder zeitliche Befristung auf den angemessenen Bedarf gemäß § 1578b BGB vorzunehmen und wie der angemessene Bedarf zu bestimmen ist.

 

Sachverhalt

Die Parteien waren 27 Jahre miteinander verheiratet. Die Ehefrau begehrte nachehelichen Unterhalt. Sie verfügte über keine Berufsausbildung. Vor der Eheschließung arbeitete sie als ungelernte Kraft. Nachdem die gemeinsamen Kinder herangewachsen waren, arbeitete sie als Geringverdienerin in einer Gärtnerei und später in einer Heißmangel. Diese Tätigkeit behielt sie auch nach der Trennung bei. Der Ehemann bezog aus seiner Erwerbstätigkeit ein anrechenbares Einkommen von ca. 1.645,00 EUR.

Erstinstanzlich war dem Klagebegehren der Ehefrau weitgehend stattgegeben worden. Der Ehemann beantragte Prozesskostenhilfe für das von ihm beabsichtigte Berufungsverfahren. Das OLG hat ihm insoweit Prozesskostenhilfe bewilligt, als er zur Zahlung höheren Elementar- und Vorsorgeunterhalts als 380,00 EUR für die Zeit bis Mai 2011 und für die daran anschließende Zeit von mehr als 172,00 EUR monatlich verurteilt worden war.

 

Entscheidung

Das OLG vertrat die Auffassung, die Ehefrau komme ihrer Erwerbsobliegenheit nicht ausreichend nach. Erwerbsbemühungen seien von ihr nicht dargelegt. Ihr sei daher ein fiktives Einkommen aus einer Vollzeitstelle i.H.v. netto 860,00 EUR monatlich zuzurechnen. Hieraus ergebe sich bei einer Einkommensdifferenz von 785,00 EUR ein Elementarunterhalt von 304,00 EUR und ein Altersvorsorgeunterhalt von 76,00 EUR. Dieser Unterhalt sei jedoch nach § 1578b BGB zu begrenzen, da die dauerhafte Leistung eines ungekürzten Unterhalts unbillig sei.

Der Ehefrau seien ehebedingte Nachteile in ihrer Erwerbsbiographie nicht entstanden, so dass der Unterhaltsanspruch nach einer Übergangszeit auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen sei. Dieser angemessene Bedarf orientiere sich an ihrem Einkommen vor der Ehe und sei mit dem von ihr aus einer ungelernten Tätigkeit zu erzielenden Einkommen in Ansatz zu bringen. Jedoch komme ein Absenken des Unterhalts unter den angemessenen Selbstbehalt von derzeit 1.000,00 EUR nicht in Betracht, auch wenn der voreheliche Lebensstandard geringer gewesen sei. Bei Aufnahme einer Vollzeittätigkeit nach Abzug berufsbedingter Aufwendungen könne die Antragsgegnerin den Unterhaltsbedarf mit 860,00 EUR decken, so dass noch 140,00 EUR als Elementarunterhalt zu zahlen seien. Wegen der Dauer der Ehe und des Alters der Antragsgegnerin von über 50 Jahren sei eine Reduzierung des Unterhalts auf diesen Betrag erst ab dem 1.6.2011 angemessen. Eine zeitliche Befristung wurde angesichts des Alters der Antragsgegnerin und der langen Ehedauer verneint.

 

Hinweis

Der Beschluss des OLG Bremen verdeutlicht, dass für die Frage einer Herabsetzung und/oder zeitlichen Begrenzung des Unterhaltsanspruchs primär zu prüfen ist, ob und in welchem Ausmaß dem Unterhaltsberechtigten ehebedingte Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit entstanden sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Prüfungsmaßstab ist die nach der eigenen Erwerbsbiographie erreichbare Lebensstellung. Ehedauer und Zeiten der Kindererziehung sind für diese Beurteilung zunächst ohne Bedeutung. Bis zur Regelaltersgrenze besteht grundsätzlich die Obliegenheit, einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit in einem angemessenen Beruf nachzugehen. Im Rahmen der bestehenden Möglichkeit ist eine Teilzeitarbeit folglich aufzustocken bzw. durch einen Nebenerwerb zu ergänzen. Waren die eigenen Erwerbsmöglichkeiten wegen einer fehlenden Berufsausbildung auf Tätigkeiten als Geringverdiener beschränkt, reduziert sich der eheunabhängige Bedarf auf ein denkbar geringes Einkommen. Die Verdienstmöglichkeiten reichen über das Sozialhilfeniveau kaum hinaus. Dabei ist unerheblich, ob dieses Einkommen tatsächlich erzielt oder aufgrund unzureichender Erwerbsbemühungen fiktiv zugerechnet wird.

Da die Verdienstmöglichkeiten in Verkennung des tatsächlichen Arbeitsmarktes häufig überschätzt werden, kann jedem Unterhaltsberechtigten nur dringend angeraten werden, sich möglichst bald nach der Trennung um eine berufliche Wiedereingliederung bzw. eine Festanstellung zu bemühen.

 

Link zur Entscheidung

OLG Bremen, Beschluss vom 10.04.2008, 4 UF 6/08

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