Leitsatz

Der Mieter kann berechtigt sein, seine Eltern auch ohne Erlaubnis des Vermieters in die gemietete Wohnung aufzunehmen. Hierbei kommt es, wenn eine konkrete mietvertragliche Vereinbarung fehlt, auf die Umstände des Einzelfalls an, insbesondere auf die Art und den Zuschnitt der Wohnung sowie darauf, ob die Zahl der Personen überschritten wird, mit deren Aufnahme in die Wohnung der Vermieter bei Abschluß des Mietvertrages rechnen mußte.

 

Sachverhalt

Die Mieter bewohnten mit ihren drei Kindern ein Haus mit einer Wohnfläche von 108 qm. Mit Zustimmung der Vermieterin bauten sie für die älteste Tochter das Dachgeschoß aus, so daß eine zusätzliche Wohnfläche von 33 qm entstand. Nachdem die Tochter ausgezogen war, überließen die Mieter ihren Eltern das Dachgeschoß zur ständigen Nutzung. Darüber hatten sie die Vermieterin weder benachrichtigt noch deren Erlaubnis eingeholt. Nachdem die Vermieterin von der Nutzung durch die Eltern erfahren hatte, mahnte sie den ihrer Meinung nach vertragswidrigen Gebrauch ab und forderte den Auszug der Eltern. Die Mieter lehnten dies ab, sie sehen in der Aufnahme ihrer pflegebedürftigen Eltern in ihre Wohnung die Erfüllung ihrer Unterhaltspflicht. Die Vermieterin kündigte daraufhin das Mietverhältnis fristlos und verklagte die Mieter und ihre Eltern auf Räumung des Hauses.

 

Entscheidung

Die Mieter dürfen hier ihre Eltern mit in die Wohnung aufnehmen, ohne die Erlaubnis der Vermieterin einholen zu müssen. Aufnahme der pflegebedürftigen Eltern der Mieter in ihre Wohnung ist hier nicht vertragswidrige überlassung an einen Dritten, sondern zustimmungsfreier Mitgebrauch. Die Wohnung ist nach Größe und Art für die Mitnutzung durch die Eltern angemessen und geeignet. Sie ist für die Benutzung durch eine Familie angemietet worden und eignet sich nach ihrem Zuschnitt für die Nutzung durch eine größere Personenzahl. Die Aufnahme der Eltern nach dem Auszug des Kinder war für die Vermieterin auch keine Entwicklung, die bei Abschluß des Mietvertrages fernlag. Es ist angemessen und wird von großen Teilen der Bevölkerung als selbstverständlich angesehen, die Eltern in die eigene Wohnung und damit in die engste Wohngemeinschaft aufzunehmen, wenn hierfür Bedarf besteht und, etwa nach dem Auszug der erwachsen gewordenen Kinder, ausreichend Platz vorhanden ist.

 

Link zur Entscheidung

BayObLG, Beschluss vom 06.10.1997, RE-Miet 2/96

Fazit:

Grundsätzlich ist der Mieter ohne die Erlaubnis des Vermieters nicht berechtigt, den Gebrauch der gemieteten Sache einem Dritten zu überlassen (§ 549 Abs. 1 Satz 1 BGB). Das gilt für jede auf eine gewisse Dauer angelegte Gebrauchsüberlassung, auch wenn diese nur den Mitgebrauch der Mietsache betrifft oder unentgeltlich erfolgt. Der Mieter darf daher Dritte grundsätzlich nur mit Erlaubnis des Vermieters auf Dauer in die gemietete Wohnung aufnehmen.

Hiervon gelten allerdings Ausnahmen: Der Mieter bedarf für die Aufnahme von nächsten Familienangehörigen, von zum Haushalt gehörenden Bediensteten und von Personen, die er zu seiner Pflege benötigt, grundsätzlich keiner Erlaubnis des Vermieters; diese Personen sind nicht Dritte im Sinne des Gesetzes (§ 549 Abs. 1 Satz 1 BGB). Wo für Familienangehörige im einzelnen die Grenze zu ziehen ist, ist nicht abschließend geklärt. Zum privilegierten Personenkreis gehören unstrittig der Ehegatte und die gemeinsamen Kinder. In der Regel werden hierzu auch Stiefkinder des Mieters oder seines Ehepartners gezählt, ebenso unter Umständen die Enkel, nicht aber die Geschwister des Mieters oder dessen Schwägerin. Es ist eine Frage der Vertragsgestaltung, wer berechtigt sein soll, die Mietsache zu benutzen. Die Vertragsbestimmungen sind nach Treu und Glauben und unter Beachtung der Verkehrssitte (§ 157 BGB) auszulegen.

Ob die Aufnahme der Eltern des Mieters als erlaubnisfreier Mitgebrauch oder als zustimmungsbedürftige überlassung an Dritte darstellt, ist entsprechend den Umständen des Einzelfalls zu entscheiden. Heutzutage wird eine Wohnung regelmäßig für die Nutzung durch die sogenannte Kleinfamilie, d.h. den oder die Mieter sowie deren Ehegatten und Kinder angemietet. Besteht auch Bedarf dafür, die Eltern in die eigene Wohnung aufzunehmen und ist ausreichend Platz vorhanden, muß der Mieter die Zustimmung des Vermieters nicht einholen.

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