Leitsatz

  • Rückabwicklung eines Wohnungs-Erwerbsvertrages wegen arglistiger Täuschung

    Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beeinträchtigung des Getäuschten ist die Abgabe der Anfechtungserklärung, nicht deren Zugang

    Täuschung durch den Vermittler des Verkäufers über bestehende hohe Wohngeldrückstände und wegen des Verschweigens von Baumängeln

 

Normenkette

§ 123 Abs. 1 BGB, § 242 BGB

 

Kommentar

1. Einem im Grundbuch bereits eingetragenen Erwerber wurde in einem rechtshängigen Wohngeldinkassoverfahren gegen den Veräußerer über Zahlungsrückstände von DM 10.931,- der Streit verkündet. In der Teilungserklärung war auch bestimmt, dass ein Erwerber für Wohngeldrückstände des Veräußerers hafte. Im Kaufvertrag hatte der Verkäufer jedoch erklärt, dass Wohngeldrückstände nicht bestünden. Über einen Vergleich im rechtshängigen Wohngeldverfahren leistete im März 1997 der Veräußerer im Wesentlichen seine Wohngeldschuld. Der Käufer hatte jedoch schon zuvor (im November 1996) die Anfechtung des Erwerbsvertrages wegen einer falschen Wirtschaftlichkeitsberechnung des vom Verkäufer eingeschalteten Vermittlers, wegen einer Täuschung über das Bestehen von rückständigen Wohngeldforderungen und wegen des Verschweigens von baulichen Mängeln angefochten und nachfolgend Rückabwicklung des Vertrages gefordert.

Auf die Revision des Wohnungserwerbers wurde die der Klage stattgebende Entscheidung des LG (unter Aufhebung der Berufungsentscheidung des OLG) bestätigt.

2. Die Voraussetzungen einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 Abs. 1 BGB sind als gegeben anzusehen.

Mit Schriftsatz vom 20.02.1997 seitens des Prozessbevollmächtigten des klagenden Erwerbers wurde erstmals auch die Täuschung über das Bestehen von rückständigen Wohngeldforderungen als Anfechtungsgrund genannt; dieser Schriftsatz gilt damit als eigenständige Anfechtungserklärung; sie ging auch fristgerecht ( § 124 Abs. 1 BGB) dem beklagten Veräußerer zu ( § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB); spätestens geschah dies mit der förmlichen Zustellung der Klage.

3. Zwar kann eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach Treu und Glauben ausgeschlossen sein, wenn die Rechtslage des Getäuschten durch arglistige Täuschung nicht oder nicht mehr beeinträchtigt ist (h.R.M.). Für die Beurteilung dieser Frage kommt es aber auf den Zeitpunkt der Abgabe der Anfechtungserklärung, nicht den des Zugangs an (verfestigte Rechtsprechung diverser Senate des BGH). Zum Zeitpunkt der Absendung des Schriftsatzes des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 20.02.1997 (Eingang beim LG am 25.02.1997) bestand die durch die arglistige Täuschung verursachte Beeinträchtigung noch, da der Beklagte seine Wohngeldrückstände jedenfalls erst nach dem 20.03.1997 ausgeglichen hat.

Ein Anfechtungsberechtigter muss nicht abwarten, ob der Täuschende die durch die Täuschung verursachte Beeinträchtigung alsbald beseitigt. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 BGB sehen eine solche Einschränkung nicht vor; sie ist auch nicht nach Grundsätzen von Treu und Glauben geboten. Wer seinen Vertragspartner arglistig täuscht, ist zu Recht mit der Gefahr einer Anfechtung des Vertrages belastet. Diese Gefahr zu mindern, indem man die Möglichkeit einräumt, die arglistig herbeigeführte Beeinträchtigung des Vertragspartners zu beseitigen, um damit der Anfechtung die Grundlage entziehen zu können, wäre schon grundsätzlich verfehlt. Vorliegend wurde in der Berufungsinstanz auch nicht festgestellt, dass und ggf. wann dem klagenden Erwerber die angekündigte Zahlungsbereitschaft des Beklagten bekannt geworden sein soll und zu welchem Zeitpunkt die Zahlung erfolgte.

 

Link zur Entscheidung

( BGH, Urteil vom 30.06.2000, V ZR 149/99= ZWE 12/2000, 571)

Zu Gruppe 3

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