Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerruf eines Arbeitszeugnisses. Zeugniserteilung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Enthält ein Arbeitszeugnis hinsichtlich der Vertrauensstellung des Arbeitnehmers eine ausgesprochen positive Würdigung, so kann diese Formulierung vom Arbeitgeber widerrufen werden, wenn sie ihm sachlich nicht gerechtfertigt erscheint.

2. Im übrigen ist der "Widerruf" eines als "Zwischenzeugnis" betitelten Arbeitszeugnisses nicht mehr möglich, wenn der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Erstellung des "Zwischenzeugnisses" bereits von der Arbeitspflicht befreit war (Kündigungsfrist) und der Widerruf erst etwa fünf Monate nach Ausstellung des "Zwischenzeugnisses" erklärt wird.

 

Normenkette

BGB § 630 S. 1

 

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein qualifiziertes Arbeitszeugnis mit folgendem Wortlaut zu erteilen:

„Herr … geb. … in … war vom 01.01.1987 bis 31.12.1989 in unserer Firma beschäftigt. Zu seinen Aufgaben gehörten die selbständige Abwicklung des Einkaufs, der Exportbereich und der Verkauf von Ersatzteilen, die Ausbildung unserer kaufmännischen Auszubildenden sowie stetig anfallende organisatorische Tätigkeiten. Die übertragenen Aufgaben erledigte er mit Umsicht, großem Eifer und vollem persönlichen Einsatz, zu unserer vollsten Zufriedenheit. Er war für die ihm übertragenen Aufgabenbereiche die ideale Besetzung.

Er nutzte jede Chance, sein ohnedies hervorragendes Fachwissen weiterzuentwickeln und erhielt deshalb im April 1989 einen Arbeitsvertrag als Wirtschaftsfachwirt.

Er war stets bereit, auch zusätzliche Aufgaben innerhalb seiner eigenen Arbeitsgebiete zu übernehmen. Wir hatten in Herrn Jokisch einen Mitarbeiter, der stets gleich intensiv zum Wohle der Firma arbeitete. Sein Verhalten gegenüber den Vorgesetzten und den Kollegen war jederzeit vorbildlich. Herr Jokisch war stets bereit, auch in schwierigen Situationen Verantwortung zu übernehmen, selbständig Aufgaben zu planen und durchzuführen. Sein Verhalten bei der Führung seiner Mitarbeiter war stets korrekt, er versteht es, zu motivieren und Leistung zu erreichen.

Aufgrund einer Umstrukturierung des Einkaufswesens sahen wir uns leider gezwungen, das Arbeitsverhältnis mit Herrn Jokisch zum 31.12.1989 aufzulösen.

Wir wünschen Herrn … für seinen weiteren Berufsweg viel Glück und Erfolg.”

2. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 1/5, die Beklagte hat 4/5 zu tragen.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 3.000,– DM festgesetzt.

 

Tatbestand

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Erteilung eines qualifizierten Endzeugnisses mit einem Wortlaut, den die Beklagte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers in ihren Diensten bereits erteilt hat, jedoch später das Zeugnis widerrufen hat.

Der Kläger war seit dem 01.01.1987 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt als Wirtschaftsfachwirt. Seit letztes durchschnittliches Bruttomonatsgehalt hat 3.300,– DM betragen.

Am 09.11.1989 wurde der Kläger seitens der Beklagten ordentlich zum 31.12.1989 gekündigt und die Kündigung wurde mit Schreiben vom 14.11.1989 bestätigt. Ab diesem Zeitpunkt wurde der Kläger von seiner Pflicht zur Arbeitsleistung freigestellt.

Gegen diese Kündigung erhob der Kläger Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht Passau, Kammer Deggendorf, welche unter dem Az. 2 Ca 679/89 D geführt wurde. Der Rechtsstreit endete in erster Instanz mit Endurteil, worin festgestellt wurde, daß die Kündigung vom 09.11.1989 rechtsunwirksam ist und das Arbeitsverhältnis des Klägers im Betrieb der Beklagten wurde auf seinen Antrag hin gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung gem. §§ 9, 10 KSchG aufgelöst. Das Urteil ist nicht rechtskräftig; es wurde Berufung zum Landesarbeitsgericht München eingelegt. Das Berufungsverfahren ist anhängig.

Am 27.11.1989 erstellte die Beklagte dem Kläger auf dessen Wunsch hin ein Zeugnis, welches als „Zwischenzeugnis” bezeichnet wurde. Dieses Zeugnis hat folgenden Wortlaut:

„ZWISCHENZEUGNIS

Herr …, geboren am … in … ist seit 01.01.88 in unserer Firma, beschäftigt.

Zu seinen Aufgaben gehören die selbständige Abwicklung des Einkaufs, der Exportbereich und der Verkauf von Ersatzteilen, die Ausbildung unserer kaufmännischen Auszubildenden sowie stetig anfallende organisatorische Tätigkeiten. Die übertragenen Aufgaben erledigt er mit Umsicht, großem Eifer und vollem persönlichen Einsatz, zu unserer vollsten Zufriedenheit. Er ist für die ihm übertragenen Aufgabenbereiche die ideale Besetzung. Er nutzt jede Chance, sein ohnedies hervorragendes Fachwissen weiterzuentwickeln und erhielt deshalb im April 19989 einen Arbeitsvertrag als Wirtschaftsfachwirt. Er ist stets bereit, auch zusätzliche Aufgaben außerhalb seiner eigentlichen Arbeitsgebiete zu übernehmen. Wir haben in Herrn Jokisch einen Mitarbeiter, der stets gleich intensiv zum Wohle der Firma arbeitet. Sein Verhalten gegenüber den Vorgesetzten und den Kollegen ist jederzeit vorbildlich. Herr … ist stets bereit, auch in schwierigen Situationen Verantwortung zu übernehmen, selbständig Aufgaben zu planen und durchzuführen...

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