Normenkette

IfSG § 20a

 

Nachgehend

Hessisches LAG (Urteil vom 11.08.2022; Aktenzeichen 5 SaGa 729/22)

 

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Der Verfügungskläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 3.400,00 EUR festgesetzt.

Die Berufung wird nicht zugelassen. Die Statthaftigkeit der Berufung nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes bleibt davon unberührt.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Beschäftigung des Klägers.

Der Verfügungskläger (im Folgenden Kläger) ist am xx.xx.1986 geboren, verheiratet und Vater von 2 Kindern im Alter von 5 und 7 Jahren. Er ist mit schriftlichem Arbeitsvertrag vom 25. Juli 2019 seit dem 1. August 2019 bei der Verfügungsbeklagten (im Folgenden Beklagte) als Pflegefachkraft in deren Seniorenheim tätig. Bei dem Seniorenheim handelt es sich um eine vollstationäre, nach § 72 SGB IX zugelassene Pflegeeinrichtung zur Betreuung und Unterbringung älterer und pflegebedürftiger Menschen.

Die durchschnittliche monatliche Bruttovergütung des Klägers beträgt 3.400,00 Euro. Wegen der Einzelheiten des schriftlichen Arbeitsvertrages wird auf Bl. 8 bis 17 d. A. verwiesen.

Der Kläger ist nicht gegen SARS-CoV-2 geimpft. Er hat der Beklagten weder einen Impfnoch einen Genesenennachweis vorgelegt und bei ihm liegt auch keine medizinische Kontraindikation vor, die einer Impfung entgegensteht.

Mit Schreiben vom 14. März 2022 stellte die Beklagte den Kläger ab dem 16. März 2022 bis auf weiteres widerruflich von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei, längstens bis zum 31. Dezember 2022. In ihrem Schreiben führt die Beklagte aus, dass der Hintergrund der Freistellung der Umstand sei, dass nach § 20 a Abs. 1 des Infektionsschutzgesetzes Personen, die in Pflegeeinrichtungen oder ambulanten Pflegediensten tätig sind, ab dem 15. März 2022 grundsätzlich geimpft oder genesen sein müssen. Wegen des genauen Inhaltes des Schreibens wird auf Bl. 18 und 19 d. A. verwiesen.

Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 16. März 2022 erfolglos auf, die Freistellung zu widerrufen und bot der Beklagten seine Arbeitskraft an.

Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte sei verpflichtet, ihn nach Maßgabe des Arbeitsvertrages zu beschäftigen. Die Beklagte habe lediglich dem Gesundheitsamt seinen Impfstatus mitteilen müssen. Zu der den Kläger benachteiligenden Freistellungsmaßnahme sei sie demgegenüber nicht berufen gewesen. Die Freistellung sei auch nicht von dem arbeitgeberseitigen Direktionsrecht gedeckt. Die Beklagte sei nicht berechtigt, so ultimativ in das Privatleben des Klägers hineinzuregieren, dass sie dem Kläger vorgeben könnte, sich impfen zu lassen. Der Verfügungsgrund ergebe sich bereits daraus, dass der Beschäftigungsanspruch mit jedem Tag der ungewollten Freistellung unwiederbringlich zunichte gemacht werde. Durch den Wegfall seiner Vergütung werde der Kläger unverschuldet in seiner Existenz gefährdet. Er behauptet, seine Freistellung habe zur Folge, dass die bedürfnisorientierte Betreuung und die Versorgung der Bewohnerinnen und Bewohner bei ohnehin schon angespannter Personalsituation extrem eingeschränkt seien. Im Übrigen böte eine Impfung keinen relevanten Fremdschutz. Er sei bei der Beklagten täglich und damit häufiger als die geimpften Beschäftigten getestet worden. Durch diese täglichen Testungen und das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes sei nicht zu erwarten, dass von ihm eine Infektionsgefahr ausgehe, insbesondere keine solche, die auch von einer geimpften Person ausgehen könnte.

Mit seiner am 30. März 2022 beim Arbeitsgericht eingegangenen, der Beklagten am 4. April 2022 zugestellten Antragsschrift beantragt der Kläger,

die Verfügungsbeklagte im Wege der einstweiligen Verfügung zu verurteilen, den Verfügungskläger nach Maßgabe des Arbeitsvertrages vom 25. Juli 2019 bis auf Weiteres als Pflegefachkraft in der Senioren-Residenz A, Haus B in C, zu beschäftigen und tätig werden zu lassen.

Die Beklagte beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, § 20a Abs. 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) normiere ausdrücklich eine Tätigkeitsvoraussetzung, nach der nur Geimpfte und Genesene in den benannten Einrichtungen tätig werden dürften. Ein Einsatz ungeimpfter Beschäftigter dürfe nicht erfolgen. Dies ergebe sich auch aus der Systematik des Gesetzes, das zwischen dem in § 20a Abs. 1 IfSG geregelten gesetzlichen Tätigkeitsverbot, welches an den Impf- und Genesenenstatus anknüpfe, und der Pflicht zur Vorlage des Impf- und Genesenennachweises in § 20a Abs. 2-5 IfSG unterscheide. Im Übrigen liege kein Verfügungsgrund vor. Ein gesteigertes Abwehrinteresse des Klägers zur Abwendung wesentlicher Nachteile sei nicht ersichtlich.

Wegen des Parteivorbringens im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

Nach §§ 62 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG), 935, 940 ...

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