rechtskräftig

 

Leitsatz (amtlich)

Scheidet ein Arbeitnehmer, dessen Vergütungsanspruch monatlich fällig wurde, vor dem Ende eines Kalendermonats aus dem Arbeitsverhältnis aus, ist der pfändungsfreie Betrag nach § 850 c ZPO auf der Grundlage des – gegebenenfalls um anderweitige Einkünfte aus dem Kalendermonat ergänzten – Nettomonatseinkommens und nicht auf der Basis eines hypothetischen Wochen– oder Tageseinkommens für die Zeit des Bestandes des Arbeitsverhältnisses zu berechnen.

 

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 150,00 (i.W.: Einhundertfünfzig Deutsche Mark) netto sowie 4 % Zinsen seit 01. November 1997 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf DM 150,00 festgesetzt.

Für die Beklagte wird die Berufung zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Lohnpfändung.

Der Kläger wurde von der Beklagten vom 01. Februar bis zum 10. Oktober 1997 als Krankenpfleger beschäftigt. Er erhielt eine monatliche Vergütung in Höhe von 4.200,– DM brutto. Für den Monat Oktober 1997 rechnete die Beklagte einen anteiligen Nettovergütungsanspruch von 925,08 DM für 8 Werktage ab, von dem sie aufgrund einer Pfändung des Finanzamts Groß-Gerau 150,40 DM einbehielt. In diesem Monat erhielt der Kläger kein weiteres Arbeitseinkommen.

Der Kläger ist der Ansicht, der Einbehalt sei aufgrund der Pfändungsfreigrenze unzulässig.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 150,– DM netto sowie 4 % Zinsen seit 01. November 1997 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, die Pfändungsfreigrenze sei für den Monat Oktober 1997 nach dem Tagesverdienst des Klägers zu berechnen, so daß sich ein pfändbarer Betrag von 18,80 DM pro Werktag ergebe.

Wegen des weiteren Vertrags der Beklagten wird auf den Schriftsatz vom 20. April 1998 nebst Anlagen verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Über die Klage ist auf übereinstimmenden Antrag der Parteien allein durch den Vorsitzenden zu entscheiden, § 55 Abs. 3 ArbGG. Eine das Verfahren beendende Entscheidung kann aufgrund der sich an den Gütetermin anschließenden streitigen Verhandlung ergehen, da weitere Feststellungen nicht erforderlich sind.

Die Klage ist begründet.

Der Kläger hat gemäß § 611 Abs. 1 BGB Anspruch auf die Auszahlung der gesamten für Oktober 1997 abgerechneten Nettovergütung, da die Pfändung des Finanzamts … mangels pfändbaren Einkommens in diesem Monat nicht durchgriff, §§ 850 Abs. 1, 850 c Abs. 1 Satz 1 ZPO.

In Rechtsprechung und Literatur ist streitig, ob im Fall des Ausscheidens eines Arbeitnehmers, dessen Vergütungsanspruch monatlich fällig wurde und der in der Mitte eines Kalendermonats aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, die Pfändungsgrenze gemäß § 850 c ZPO auf der Grundlage des – gegebenenfalls um anderweitige Einkünfte aus dem Kalendermonat ergänzten – Nettomonatseinkommens zu berechnen ist (so die heute wohl herrschende Meinung, etwa Arbeitsgericht Münster, Urteil vom 10. Juli 1990, 2 Ca 992/90, BB 90/1708 L; Brehm in: Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl., § 850 c Rdnr. 13; Smid in: Münchner Kommentar zur ZPO, § 850 c Rdnr. 9 f.; Stöber in: Zöller, ZPO, 20. Aufl., § 850 c Rdnr. 3) oder ob lediglich die Pfändungsfreigrenzen für ein wöchentliches oder tägliches Einkommen für die Zeit des Bestandes des Arbeitsverhältnisses zugrunde zu legen sind (so etwa Arbeitsgericht Hameln, Urteil vom 08. Januar 1958, 1 Ca 898/57, BB 58/450; Boewer/Bommermann, Lohnabtretung und -pfändung, Rdnr. 557; Fuchs, BB 72/137 ff.).

Für erstere Ansicht spricht bereits der Gesetzeswortlaut, der auf den vertragsgemäßen Abrechnungszeitraum abstellt. Dieser Abrechnungszeitraum wird durch eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor seinem Ablauf lediglich gekürzt, nicht aber in einen Tages- oder Wochenabrechnungszeitraum geändert. Auch der Normzweck spricht für die heute vorherrschende Ansicht. Die Pfändungsgrenzen sollen dem Arbeitnehmer ein bestimmtes Mindesteinkommen innerhalb der Abrechnungszeiträume garantieren, auf daß er sich aufgrund der arbeitsvertraglichen Fälligkeitsregelungen bei der Eingehung anderweitiger Verbindlichkeiten, etwa auf Zahlung von Mietzins oder auf Rückzahlung in Anspruch genommener Darlehen, einrichten mußte. Ein solches Mindesteinkommen kann nur durch die Beibehaltung der in den Vormonaten geltenden Pfändungsgrenzen gewährleistet werden, da die Aufnahme anderweitiger Arbeit noch im selben Monat häufig schwierig ist und bis zur Auszahlung von Arbeitslosengeld auch bei Nichtverhängung von Sperrzeiten regelmäßig mehrere Wochen vergehen. Dem Normzweck wird daher durch die herrschende Meinung besser Rechnung getragen. Jedenfalls gibt der Normzweck keine Veranlassung zu einer vom Wortlaut von § 850 c Abs. 1 Satz 1 ZPO abweichenden Auslegung.

Da das Einkommen des Klägers im Oktober 1997 die demnach maßgebliche monatsbezogene Pfändungsfreigrenze nicht überschritt, steht dem Kläger die Klageforderung zu. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V....

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