Leitsatz (amtlich)

Eine durch Telegramm ausgesprochene Kündigung genügt nicht dem Schriftform-Erfordernis des § 623 BGB.

 

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigung der Beklagten vom 22.05.2000 aufgelöst worden ist

2. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schluss-Urteil vorbehalten.

3. Der Wert des Streitgegenstandes für das Teil-Urteil wird auf DM 12.000,00 festgesetzt

 

Tatbestand

Die Beklagte betreibt ein Personaldienstleistungsunternehmen. Der am 18.02.1955 geborene Kläger ist bei ihr seit 27.03.2000 als Schlosser beschäftigt. Wegen Einzelheiten des unter dem Datum vom 21.05.2000 abgeschlossenen Arbeitsvertrages zwischen den Parteien wird auf Bl. 5–7 d. A. Bezug genommen. Gemäß Ziff. 5 des Arbeitsvertrages beträgt die regelmäßige Vergütung DM 16.50 pro Stunde, wobei laut Ziff. 4 des Arbeitsvertrages als regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 37 Stunden vereinbart wurden. Mit Telegramm vom 22.05.2000 (Bl. 9 d. A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgerecht ohne Angabe einer konkreten Kündigungsfrist. Gegen diese Kündigungen wehrt sich der Kläger mit der vorliegenden Klage, die beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main am 18.08.2000 eingegangen ist.

Zwischen den Parteien ist weiter unstreitig, dass der Kläger nach dem 22.05.2000 Sozialversicherungsleistungen der öffentlichen Hand in Anspruch genommen hat.

Der Kläger meint, die ausgesprochenen Kündigungen seien bereits formunwirksam, da ein Telegramm nicht dem gesetzlichen Schriftformerfordernis des § 623 BGB genüge. Da die Kündigungen unwirksam seien, habe er Restlohnansprüche gegen die Beklagte für den Zeitraum vom 23.05. bis 31.07.2000 in Höhe von insgesamt DM 6.105,– brutto. Wegen Einzelheiten der Berechnung wird auf S. 4 der Klageschrift Bezug genommen. Aus dem gleichen Grund habe er Annahmeverzugslohnansprüche gegen die Beklagte für die Monate August und September 2000, und zwar in Höhe von insgesamt DM 5.372,40 brutto. Wegen Einzelheiten dieser Berechnung wird auf Bl. 17 f. d. A. Bezug genommen.

Der Kläger beantragt.

  1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 22.05.2000 nicht aufgelöst worden ist.
  2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 6.105,– brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank aus dem Nettobetrag seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
  3. Die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere DM 5.372,40 brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank aus dem sich aus DM 2.808,30 brutto ergebenden Nettobetrag seit 20.09.2000 und nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank aus dem sich aus DM 2.564,10 brutto ergebenden Nettobetrag seit 20.10.2000 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meint, auch eine durch Telegramm ausgesprochene Kündigung genüge dem Schriftformerfordernis des § 623 BGB. Hinsichtlich der Kündigungsgründe behauptet sie, der Kläger sei am 22.05.2000 nicht auf der Baustelle erschienen, auf die er eingeteilt gewesen sei, obwohl er zuvor bereits zweimal abgemahnt worden sei. Sie meint im Übrigen, dass sich angesichts der vom Kläger gezeigten Arbeitsmoral auch seine Berufung auf die Formvorschrift des § 623 BGB als rechtsmissbräuchlich darstelle.

Hinsichtlich der eingeklagten Annahmeverzugslohn-Ansprüche meint sie, sie habe sich seit 23.05.2000 nicht in Annahmeverzug befunden, da der Kläger – dies ist zwischen den Parteien unstreitig – nach dem 22.05.2000 ihr gegenüber seine Arbeitskraft nicht mehr angeboten habe. Weiter behauptet sie, der Kläger habe zweifelsohne nach dem 22.05.2000 ein neues Arbeitsverhältnis begonnen, wenn er nicht Arbeitslosengeld erhalten habe.

 

Entscheidungsgründe

Da der Kläger es bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung unterlassen hat, konkret anzugeben, welche Krankengeld- bzw. Arbeitslosengeldzahlungen er seit 23.05.2000 erhalten hat, ist die Klage lediglich bezüglich des Kündigungsschutzantrags Ziff. 1 entscheidungsreif, so dass insoweit gemäß § 301 ZPO ein Teilurteil zu ergehen hat.

Durch dieses Teilurteil ist festzustellen, dass die fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung der Beklagten vom 22.05.2000 (Bl. 9 d. A.) das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht wirksam beendet hat. Sie ist vielmehr wegen Verstoßes gegen das in § 623 normierte zwingende Schriftformerfordernis gemäß § 125 Satz 1 BGB nichtig. Gemäß § 623 BGB bedarf die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch Kündigung zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. § 126 BGB sieht für ein derartiges gesetzliches Schriftformerfordernis vor, dass die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet werden muss. Dieser Vorschrift genügt eine durch Telegramm ausgesprochene Willenserklärung nicht, da in einem derartigen Fall eine eigenhändige Unterschrift Seitens des Erklärenden gerade nicht geleistet wird (vgl. BGHZ NJW 81, S. 1205).

Entgegen der Rechtsauffassung ...

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