rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Fristlose Kündigung im Berufsausbildungsverhältnis. Schlechtleistungen bei Zwischenprüfung als wichtiger Grund

 

Leitsatz (amtlich)

1.) Bei der Beurteilung des wichtigen Grundes im Sinne von § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG 2005 kann nicht von den Maßstäben ausgegangen werden, die bei dem Arbeitsverhältnis eines erwachsenen Arbeitnehmers anzulegen sind. Strengere Anforderungen sind deshalb gerechtfertigt, weil es sich bei Auszubildenden zumeist um ältere Jugendliche und Heranwachsende handelt, deren geistige, charakterliche und körperliche Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist.

2.) Je länger das Berufsausbildungsverhältnis bereits besteht, desto größer sind die Anforderungen an einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung durch den Ausbildenden.

3.) Die fristlose Kündigung im Ausbildungsverhältnis hat keinen Bestrafungscharakter, vielmehr ist der Kündigungsgrund seiner Natur nach zukunftsbezogen.

4.) Schlechte Leistungen des Auszubildenden beim Absolvieren der Zwischenprüfung kommen bei einem Auszubildenden, der fast zwei Drittel der Ausbildungszeit absolviert hat, als wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses nur dann in Frage, wenn feststeht, dass auf Grund der im Rahmen der Zwischenprüfung aufgetretenen Ausbildungslücken das Bestehen der Abschlussprüfung ausgeschlossen ist.

5.) Eine entsprechende negative Prognose ist regelmäßig erst dann gerechtfertigt, wenn der Auszubildende eine vorausgegangene einschlägige Abmahnung missachtet.

 

Normenkette

BBiG 2005 § 22 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3, § 21 Abs. 3; ArbGG § 111 Abs. 2

 

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass das Berufsausbildungsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 06. Juni 2005 nicht aufgelöst worden ist.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 3.258,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer von der Beklagten mit Schreiben vom 06. Juni 2005 ausgesprochenen außerordentlichen, fristlosen Kündigung des zwischen ihnen bestehenden Berufsausbildungsverhältnisses.

Der 1986 geborene, ledige Kläger wurde seit dem 01. August 2003 in dem Betrieb der Beklagten für den Ausbildungsberuf „Maurer” ausgebildet, und zwar zuletzt zu einer Ausbildungsvergütung von EUR 1.086,00 brutto.

Nachdem die Beklagte ab Mitte des Jahres 2004 die sich stetig verschlechternden praktischen und schulischen Leistungen des Klägers wiederholt beanstandet hatte, sprach sie mit Schreiben vom 23. Mai 2005, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, im Hinblick auf die Beurteilung des Klägers im Rahmen eines vom 18.04.2005 bis 13.05.2005 im Bildungszentrum des Baugewerbes e. V. in Wesel durchgeführten Lehrgangs zur überbetrieblichen Unterweisung, bei dem der Kläger in allen Themengebieten mit „mangelhaft” beurteilt worden war, ihm gegenüber eine schriftliche Rüge aus.

Als die Beklagte dann seitens der Handwerkskammer Düsseldorf mit Anschreiben vom 03. Juni 2005 über das Ergebnis der vom Kläger am 13. Mai 2005 absolvierten Zwischenprüfung unterrichtet worden war, wandte sie sich mit Schreiben vom 06. Juni 2005 wie folgt an diesen:

”BETRIFFT: Kündigung

Sehr geehrter Herr K.,

mit der heutigen Post ist uns Ihr Zwischenprüfungszeugnis zugegangen. Sie erreichten folgende Ergebnisse:

Praktischer Teil

mangelhaft

Schriftlicher Teil

Schwerpunktbezogene Aufgaben

ungenügend

Bauwerke im Hochbau

ungenügend

Wirtschafts- und Sozialkunde

ausreichend

Nach drei Abmahnungen, vielen Einzelgesprächen und großer Geduld unserer Mitarbeiter, setzt dieses Ergebnis ihrem bisherigen Verhalten die Krone auf. Wir sehen uns leider außer Stande das Ausbildungsverhältnis mit Ihnen fortzuführen.

Hiermit kündigen wir das bestehende Ausbildungsverhältnis mit Ihnen fristlos.

Sollte die Frist aus irgendeinem Grunde nicht gewahrt sein, gilt die Kündigung zum nächst zulässigen Termin.”

Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 16. Juni 2005 hat sich der Kläger wegen der außerordentlichen, fristlosen Kündigung zunächst an die Kreishandwerkerschaft Essen gewandt und den Ausschuss zur Schlichtung vonStreitigkeiten aus dem Ausbildungsverhältnis angerufen. Die KreishandwerkerschaftEssen teilte hierauf allerdings mit Schreiben vom 11. Juli 2005 mit, bei ihr bestehe für den Ausbildungsberuf des Klägers derzeit kein Schlichtungsausschuss nach § 111 Abs. 2 ArbGG.

Gegen die Kündigung wendet sich der Kläger mit der vorliegenden, bei Gericht am 23. Juni 2005 eingegangenen, Feststellungsklage. Er ist der Ansicht, die Kündigung sei bereits mangels Vorliegens eines wichtigen Grundes unwirksam. Schlechte schulische Leistung berechtigten den Ausbildungsbetrieb nicht zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses. Schließlich solle die Feststellung der grundsätzlichen Eignung des Auszubildenden für den Beruf während der Probezeit erfolgen.

Im Anschluss daran könne ein Berufsausbildungsverhältnis nur noch bei Vorliegen eines wichtig...

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