Entscheidungsstichwort (Thema)

Wahlanfechtung. Tod eines anfechtenden Wahlberechtigten. Verfahrensunterbrechung. Briefwahl. Übersendung von Briefwahlunterlagen. ruhendes Arbeitsverhältnis. Elternzeit. Mutterschutz

 

Leitsatz (amtlich)

1. Verstirbt ein die Betriebsratswahl anfechtender Wahlberechtigter nach Einreichung des Antrags, so führt dies nicht in Anwendung der Regelung aus §§ 80 Abs. 2 ArbGG, 239 ZPO zur Unterbrechung des Verfahrens. Das Verfahren ist vielmehr fortzuführen. Die Anfechtungsberechtigung bleibt unberührt, solange weiterhin mindestens drei Arbeitnehmer die Anfechtung betreiben.

2. Die Verpflichtung des Wahlvorstands zur unaufgeforderten Übermittlung von Briefwahlunterlagen zur Betriebsratswahl aus § 24 BetrVGDV1WO ist auf „Außenarbeiter” beschränkt. Erfasst sind Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis so gestaltet ist, dass ihr Arbeitsort regelmäßig außerhalb der Betriebsstätte gelegen ist. Der Wahlvorstand ist nicht verpflichtet, Wahlberechtigten allein wegen der Tatsache, dass ihr Arbeitsverhältnis ruht und sie deshalb am Wahltag voraussichtlich nicht im Betrieb anwesend sein werden, Briefwahlunterlagen zu übersenden.

 

Normenkette

BetrVG § 19; BetrVGDV1WO § 24

 

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl.

Die Beteiligte zu 8 betreibt ein Krankenhaus. Die Beteiligten zu 1 und 2 sowie 4 bis 6 (Antragsteller) gehören zu den dort zur Betriebsratswahl wahlberechtigten Arbeitnehmern. Der Beteiligte zu 7 ist der aus den Betriebsratswahlen am 13. April 2010 hervorgegangene Betriebsrat.

Mit Schreiben vom 25. Januar 2010 (Anlage zum Schriftsatz des Beteiligten zu 7 vom 12. August 2010, Bl 65f dA) forderte der Wahlvorstand die Beteiligte zu 8 auf, eine vollständige Aufstellung aller Beschäftigten im Betrieb zu übermitteln. In dem Schreiben verwies der Wahlvorstand auf die Regelung in § 24 Abs. 2 Wahlordnung zum Betriebsverfassungsgesetz (WO) und bat um eine Auflistung der Mitarbeiter, die aufgrund der Eigenart des Beschäftigungsverhältnisses regelmäßig, überwiegend oder ständig nicht im Betrieb anwesend und voraussichtlich auch am Tag der Wahl abwesend sein würden.

In Beantwortung des Schreibens übersandte die Beteiligte zu 8 eine Beschäftigtenliste. Beschäftigte, die aufgrund von Elternzeit, Mutterschutz, Sonderurlaub, langfristiger Erkrankung oder ähnlichem dauerhaft oder doch zumindest am Wahltag im Betrieb abwesend sein würden, sind dort nicht hervorgehoben.

Am 13. April 2010 fand die Wahl zum Betriebsrat statt. Am Wahltag waren 24 Wahlberechtigte aufgrund von Elternzeit oder Mutterschutz nicht im Krankenhaus anwesend. 29 weitere Mitarbeiter fehlten wegen Sonderurlaub, befristeter Erwerbsunfähigkeitsrente oder lang andauernder Erkrankung. Briefwahlunterlagen hatte der Wahlvorstand den Betroffenen nicht übersandt.

Von den etwa 800 Wahlberechtigten wählten 388 Personen. Die Mitarbeiter, die sich am Wahltag in Elternzeit oder Mutterschutz befanden, beteiligten sich nicht an der Wahl.

Am 14. April 2010 gab der Wahlvorstand das Wahlergebnis bekannt. Wegen Einzelheiten ist auf den Schriftsatz der Antragsteller vom 30. September 2010, dort Seite 5, zu verweisen (= Bl 92 dA).

Mit der am 26. April bei Gericht eingegangenen Antragsschrift fechten die Antragsteller die Betriebsratswahl vom 13. April 2010 an. Sie behaupten, die Vorsitzende des Wahlvorstandes W. habe aus ihrer Tätigkeit bei der Beklagten gewusst, welche Mitarbeiter in Elternzeit oder Mutterschutz seien. Sie behaupten weiter, auch ein Teil der übrigen dauerhaft abwesenden Mitarbeiter habe nicht an der Wahl teilgenommen. Sie sind der Auffassung, der Wahlvorstand hätte in Anwendung von § 24 Abs. 2 WO auch den Mitarbeitern in ruhenden Arbeitsverhältnissen, insbesondere den Mitarbeitern in Elternzeit oder Mutterschutz, unaufgefordert Briefwahlunterlagen zusenden müssen. Für eine solche Auslegung sprächen die Interessenlage, der offene Charakter der Aufzählung in § 24 Abs. 2 WO sowie die in Art. 3 Abs. 2 GG normierte Gleichbehandlungspflicht. Da bereits vier weitere Stimmen zur Änderung des Wahlergebnisses hätten führen können, sei dieser Fehler für das Wahlergebnis erheblich.

Die Antragsteller beantragen

festzustellen, dass die Betriebsratswahl, deren Wahlergebnis am 14. April 2010 bekannt gemacht wurde, für unwirksam erklärt wird.

Der Beteiligte zu 7 beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Er ist der Auffassung, ein Grund für eine Wahlanfechtung liege nicht vor. Die Verpflichtung des Wahlvorstandes zur unaufgeforderten Übersendung von Briefwahlunterlagen bestehe nur gegenüber solchen Beschäftigten, die nach der Art ihres Beschäftigungsverhältnisses ihre Arbeit ganz oder teilweise nicht im Betrieb selbst verrichteten und deshalb im Zeitpunkt der Stimmabgabe voraussichtlich im Betrieb nicht anwesend sein würden. Längerfristig abwesende Mitarbeiter, wie etwa Arbeitnehmer in Elternzeit oder Mutterschutz, seien zwar zur Briefwahl berechtigt. Die Nichtversendung von Briefwahlunterlagen an diese Mita...

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