Die Abweichungsmöglichkeiten vom Gleichstellungsgrundsatz durch einen Tarifvertrag sind sowohl in finanzieller, zeitlicher als auch personeller Hinsicht begrenzt.

3.1 Finanziell: Lohnuntergrenze

In finanzieller Hinsicht muss den nach § 3a Abs. 2 AÜG festgesetzten Mindestentgelten Rechnung getragen werden. Diese dürfen nicht unterschritten werden. Aktuell gilt die "Fünfte Verordnung über eine Lohnuntergrenze in der Arbeitnehmerüberlassung", die das Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit Wirkung zum 1.1.2023 erlassen hat.

Die Verordnung ist bis zum 31.3.2024 befristet. Nach ihr beträgt das Mindeststundenentgelt bundesweit einheitlich vom 1.1.2023 bis zum 31.3.2023 12,43 EUR, vom 1.4.2023 bis zum 31.12.2023 13 EUR und vom 1.1.2024 bis zum 31.3.2024 13,50 EUR.[1]

Wird die Lohnuntergrenze nach § 3a Abs. 2 AÜG durch einen anwendbaren Tarifvertrag unterschritten, sieht § 8 Abs. 2 Satz 4 AÜG als Rechtsfolge die Geltung des Equal-Pay-Grundsatzes vor, also die Verpflichtung zur Zahlung des Entgelts eines vergleichbaren Arbeitnehmers des Entleihers. Durch diese Regelung sollen Leiharbeitnehmer geschützt werden, indem Lohnvereinbarungen in Tarifverträgen unterhalb der Lohnuntergrenzen ausgehebelt werden.

 
Hinweis

Erstellen und Bereithalten von Dokumenten

Sofern eine Rechtsverordnung nach § 3a AÜG auf ein Arbeitsverhältnis Anwendung findet, ist der Entleiher nach § 17c Abs. 1 AÜG verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit des Leiharbeitnehmers spätestens bis zum Ablauf des 7. auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertages aufzuzeichnen und diese Aufzeichnungen mindestens 2 Jahre, beginnend ab dem für die Aufzeichnung maßgeblichen Zeitpunkt, aufzubewahren. Jeder Verleiher ist darüber hinaus nach § 17c Abs. 2 AÜG verpflichtet, die für die Kontrolle der Einhaltung einer Rechtsverordnung nach § 3a AÜG erforderlichen Unterlagen im Inland für die gesamte Dauer der tatsächlichen Beschäftigung des Leiharbeitnehmers im Geltungsbereich dieses Gesetzes, insgesamt jedoch nicht länger als 2 Jahre, in deutscher Sprache bereitzuhalten.[2]

[1] Vom 1.9.2020 bis zum 31.12.2022 galten abweichende Werte durch die "Vierte Verordnung über eine Lohnuntergrenze in der Arbeitnehmerüberlassung".

3.2 Zeitlich: Equal Pay grds. nach 9 Monaten, maximal nach 15 Monaten bei Stufentarifverträgen

In zeitlicher Hinsicht darf die Abweichung vom Gleichstellungsgebot hinsichtlich des Arbeitsentgelts ("Equal Pay") grundsätzlich nur für maximal 9 Monate durch einen entsprechenden Tarifvertrag erfolgen. D.h., spätestens nach den ersten 9 Monaten der Überlassung hat der Leiharbeitnehmer einen Anspruch auf Equal Pay entsprechend eines vergleichbaren Arbeitnehmers des Entleihers. Diese Regelung liegt der Gedanke zugrunde, dass Leiharbeitnehmer genauso gute Arbeit leisten, wie die Arbeitnehmer im Einsatzbetrieb und deshalb keine dauerhafte Abweichung gerechtfertigt ist.[1]

Eine längere Abweichung vom Equal-Pay-Grundsatz ist ausnahmsweise nur dann möglich, wenn ein qualifizierter (Branchen-)Zuschlagstarifvertrag gilt, der eine stufenweise Heranführung an das vergleichbare tarifvertragliche Arbeitsentgelt in der Einsatzbranche vorsieht.[2] Nach § 8 Abs. 4 Nrn. 1, 2 AÜG muss in diesem Fall die Gleichstellung an das tarifliche Equal Pay spätestens nach den ersten 15 Monaten einer Überlassung erfolgen.

Um eine Umgehung dieser Ausnahmeregelungen zu vermeiden, sind Zeiträume einer vorherigen Überlassung durch denselben oder einen anderen Verleiher an denselben Entleiher vollständig anzurechnen, wenn zwischen den Einsätzen jeweils nicht mehr als 3 Monate liegen.[3]

[1] BT-Drucks. 18/9231, S. 15.

3.3 Personell: Drehtürklausel

Nach § 8 Abs. 3 AÜG wird der Gleichstellungsgrundsatz des § 8 Abs. 1 Satz 1 AÜG ("Equal Pay") durch einen auf das Leiharbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrag auch dann nicht verdrängt, wenn der Leiharbeitnehmer in den letzten 6 Monaten vor der Überlassung an den Entleiher aus einem Arbeitsverhältnis bei diesem oder einem Arbeitgeber, der mit ihm einen Konzern i. S. d. § 18 AktG bildet, ausgeschieden ist. Insofern erfährt die Abweichungsmöglichkeit eine personelle Einschränkung.

Damit soll eine Arbeitnehmerüberlassung in den fraglichen Fällen (sog. Sale-and-lease-Back-Fallgestaltungen[1]) zwar nicht ganz unterbunden werden, es soll aber verhindert werden, dass Arbeitnehmer als Mitglieder der Stammbelegschaft entlassen und kurz darauf zu schlechteren Arbeitsbedingungen als Zeitarbeitskräfte wieder im Unternehmen(sverbund) beschäftigt werden.[2] Zum Schutz der Leiharbeitnehmer soll daher bei solchen Leiharbeitnehmern, die die o. g. Voraussetzungen erfüllen, der Grundsatz des "Equal Pay" oder "Equal Treatment" uneingeschränkt fortgelten.[3] Diese Leiharbeitnehmer können also weiterhin regulär als Leiharbeitnehmer beschäftigt werden; sie sind jedoch genauso wie die Stammarbeitnehmer im Entleiherbetrieb zu vergüten.[4]

Zu berücksichtigen ist, dass die Drehtürklausel nicht das bloße "Dazwischenschalten" eines Leiharbeitsverhältnisses verhindert. Aus diesem Grund sind die Zeiten, während derer ein Leiharbeitnehmer an d...

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