Leitsatz

  1. Eigentümer haften wegen der Teilrechtsfähigkeit der Gemeinschaft im Außenverhältnis nicht mehr gesamtschuldnerisch für gemeinschaftliche Wasserver- und -entsorgung über das gemeinschaftliche Leitungsnetz
  2. Die Anteilshaftung der einzelnen Eigentümer im Außenverhältnis ist auch auf vor dem 1.7.2007 begründete Verbindlichkeiten der Gemeinschaft anzuwenden
 

Normenkette

§ 10 Abs. 8 WEG

 

Kommentar

  1. Bezieht eine Gemeinschaft Leistungen – wie hier Wasserver- und -entsorgung über ein gemeinschaftliches Leitungsnetz –, besteht seit der BGH-Entscheidung zur Teilrechtsfähigkeit einer Wohnungseigentümergemeinschaft aus dem Jahr 2005 (NZM 2005, 543) und der Gesetzesänderung zum 1.7.2007 (vgl. § 10 Abs. 6 WEG)keine gesamtschuldnerische vertragliche Außenhaftung der einzelnen Eigentümer mehr.
  2. Was die Anteilshaftung der einzelnen Eigentümer im Außenverhältnis nach § 10 Abs. 8 WEG betrifft, ist diese Neubestimmung auch auf vor dem 1.7.2007 begründete Verbindlichkeiten der Gemeinschaft anzuwenden.
Anmerkung

Zu dieser Entscheidung ist zunächst festzuhalten, dass der BGH (NZM 2007, 363) im Anschluss an seine Entscheidung zur Teilrechtsfähigkeit von 2005 ausgeführt hat, dass im Regelfall auch der Verband der Eigentümer als Vertragspartner anzusehen ist, wenn es im Rahmen der gemeinschaftlichen Verwaltung um eine Teilnahme der Gemeinschaft am Rechtsverkehr geht, wie z. B. auch bei Lieferung von Gas über einen alleinigen, gemeinschaftlichen Zähler für alle Wohnungseigentümer. Ein Vertragsabschluss mit den einzelnen Eigentümern ist nur ausnahmsweise unter besonderen Umständen anzunehmen. Diese Grundsätze gelten nun nach Meinung des KG auch grds. für den Wasserbezug und die Abwasserentsorgung, wenn diese über das gemeinschaftliche Leitungsnetz erfolgen. Insoweit besteht dann eine gemeinschaftliche Schuld im Sinne des § 10 Abs. 6 WEG.

Was die Anteilshaftung der einzelnen Eigentümer nach dem neuen § 10 Abs. 8 WEG betrifft, soll nun die Neuregelung auch auf Altverbindlichkeiten und nicht erst auf solche anwendbar sein, die nach dem 30.6.2007 begründet wurden; diese Frage ist allerdings zurzeit in der Literatur höchst umstritten (wie hier Palandt/Passenge, BGB, 67. Aufl., § 62 WEG Rn. 1; Briesemeister, ZWE 2007, 245; Schmid/Riecke, WEG, 2. Aufl., § 62; Abramenko, IMR 2007, 296). Begründet wird diese Meinung mit den Materialien des Reformgesetzes zu § 10 Abs. 6 und 8 WEG und die Reaktion des Gesetzgebers auf die geänderte Rechtsprechung des BGH (vgl. NZM 2006, 401/439 ff.). Insoweit hat der Gesetzgeber einen Kompromiss zwischen dem Gläubigerschutz einer Wohnungseigentümergemeinschaft und den Interessen der einzelnen Eigentümer statuiert. Nach Sinn und Zweck der neuen Vorschriften dürfte dieses Haftungssystem auf sämtliche, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte anzuwenden sein, da auch Rechtsmittelgerichte zwischenzeitlich neue gesetzliche Bestimmungen zu berücksichtigen haben, soweit sie nach dem zeitlichen Geltungswillen ein streitiges Rechtsverhältnis erfassen.

An diesem Ergebnis ändert sich auch nichts durch einen etwa bestehenden öffentlich-rechtlichen Anschluss- und Benutzungszwang als Grundlage für eine grundsätzliche gesamtschuldnerische Haftung eines jeden Eigentümers. Vorliegend geht es beim Wasserbezug und der Abwasserentsorgung in Berlin nicht um eine öffentlich-rechtliche Abgabenschuld nach behördlichen Verordnungs- oder Satzungsbestimmungen. Vielmehr handelt es sich um zivilrechtliche Verpflichtungen und die Begründung eines privaten Vertrags, aus dem die Gebührenforderungen abzuleiten sind. Nur noch im Fall einer ausdrücklich gesetzlich festgelegten oder abgeleiteten öffentlich-rechtlichen Abgabenschuld käme noch eine umfassende gesamtschuldnerische Haftung jedes einzelnen Eigentümers in Betracht (vgl. hierzu auch Zieglmeier, MietRB 2007, 94). Auch dann bestehen noch rechtliche Bedenken, da grundsätzlich Bundesrecht (WEG) gegenüber Satzungs- oder Verordnungsrecht vorrangig anwendbar sein müsste.

Damit dürfte auch die bisherige Rechtsprechung anderer Zivilsenate des KG als überholt anzusehen sein (vgl. z. B. KG Berlin v. 7.11.2007, ZMR 8/2008, 649).

Da in der Gesetzesreform bisher nur eine Überleitungsvorschrift in § 62 Abs. 1 WEG zum Verfahrensrecht vorgenommen wurde, sollte im Zuge einer neuerlichen korrigierenden Reform auch diese materiell-rechtliche Überleitungsstreitfrage ausdrücklich geklärt werden.

 

Link zur Entscheidung

KG Berlin v. 12.2.2008, 27 U 36/07 = NZM 2008, 690

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