Leitsatz

Es gehört (vorbehaltlich weiterer vereinbarter Nutzungsbeschränkungen) zu dem plangerechten Zustand eines Teileigentums, dass die öffentlich-rechtlichen Anforderungen an einen Aufenthaltsraum erfüllt sind; dafür erforderliche Maßnahmen am gemeinschaftlichen Eigentum wie die bauordnungsrechtlich vorgeschriebene Herstellung eines zweiten Rettungswegs entsprechen regelmäßig ordnungsmäßiger Verwaltung und können von einzelnen Wohnungseigentümern gemäß § 21 Abs. 4 WEG beansprucht werden.

 

Normenkette

WEG § 21 Abs. 4, Abs. 5 Nr. 2

 

Das Problem

  1. K1 kauft vom Bauträger das Teileigentum 1 (Sondereigentum an sämtlichen Räumen der im Aufteilungsplan mit Nr. 1 bezeichneten, nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen im Souterrain), K2 das Teileigentum 2 (Sondereigentum an sämtlichen Räumen der im Aufteilungsplan mit Nr. 2 bezeichneten, nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen im Souterrain). Das Teileigentum Nr. 1 und Nr. 2 wird im Aufteilungsplan jeweils als "Kellerraum" bezeichnet. Nach der Gemeinschaftsordnung dient das Sondereigentum an Wohnungen ausschließlich zu Wohnzwecken. Weiter enthält die Gemeinschaftsordnung folgende Bestimmung:

    Die Gewerbeflächen dürfen zu baurechtlich zulässigen gewerblichen Zwecken genutzt werden – die im Aufteilungsplan angegebene Nutzung ist nicht die allein maßgebliche. (…) Der Wohnungs- bzw. Teileigentümer ist verpflichtet, auf seine Kosten alle erforderlichen öffentlich-rechtlichen Genehmigungen einzuholen und hat alle mit der Nutzungsänderung in Zusammenhang stehenden Kosten und Lasten zu tragen.

    Die Nutzung des Teileigentums Nr. 1 und Nr. 2 zu Aufenthaltszwecken ist bauordnungsrechtlich nicht genehmigt, weil die Räume in den der Baugenehmigung zugrunde liegenden Plänen als "Kellerraum" bezeichnet werden.

  2. K1 beantragt eine bauordnungsrechtliche Nutzungsänderung, um sein Teileigentum als Aufenthaltsraum nutzen zu können. Nach dem hierzu gemäß § 66 Abs. 1 BauO Berlin eingereichten Brandschutznachweis muss ein zweiter Rettungsweg geschaffen werden. Auf dieser Grundlage teilt die Behörde gemäß § 62 Abs. 3 BauO Berlin mit, dass ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren nicht durchgeführt werden solle und eine vorläufige Untersagung nicht ausgesprochen werde.
  3. K1 und K2 wollen erreichen, dass der zweite Rettungsweg durch eine Fluchttreppe im Freien hergestellt wird. In der Versammlung vom 21. August 2014 wird indes ihr Antrag abgelehnt, die Herstellung eines zweiten Rettungswegs auf der Grundlage des Brandschutznachweises nebst näher bezeichneten Ausführungsplänen zu beschließen und durch eine Sonderumlage von 7.500 EUR zu finanzieren, den Auftrag für die Errichtung der Fluchttreppe zu erteilen und die "WEG" zu verpflichten, weitere Maßnahmen am gemeinschaftlichen Eigentum durchzuführen, die notwendig sind, um das Teileigentum Nr. 1 an brandschutzrechtliche Vorgaben anzupassen.
  4. Gegen den Beschluss wenden sich K1 und K2 mit der Anfechtungsklage. Zugleich wollen sie im Wege der Beschlussersetzungsklage erreichen, dass dem Antrag entsprochen wird. Hilfsweise soll das Gericht einen Beschluss des Inhalts ersetzen, dass alle Maßnahmen vorgenommen werden, die zur Errichtung eines zweiten Rettungswegs für die Souterraineinheiten erforderlich sind bzw. dass ein zweiter und den baurechtlichen Bestimmungen entsprechender Rettungsweg für die Souterraineinheiten hergestellt wird.
  5. Das Amtsgericht weist diese Anträge als unbegründet ab. Das Landgericht weist die Berufung zurück. Die Kläger hätten keinen Anspruch, dass die "Wohnungseigentümergemeinschaft" auf ihre Kosten einen zweiten Rettungsweg im Bereich des gemeinschaftlichen Eigentums herstellt. Insbesondere ergebe sich ein solcher Anspruch nicht aus § 21 Abs. 4, 5 Nr. 2 WEG. Die Maßnahme diene nämlich nicht dazu, erstmalig einen der Teilungserklärung entsprechenden Zustand herzustellen. Mit der Revision verfolgen die Kläger ihre Anträge weiter. Mit einem Teilerfolg!
 

Die Entscheidung

Mit der gegebenen Begründung könne die Abweisung der von den Klägern als werdenden Wohnungseigentümern zulässig erhobenen Klage keinen Bestand haben.

Richtiger Ausgangspunkt

Zutreffend sei der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, wonach sowohl die Beschlussanfechtung als auch der auf Beschlussersetzung gerichtete Hauptantrag nur Erfolg haben könnten, wenn den Klägern ein Anspruch auf Herstellung des zweiten Rettungswegs zustehe. Richtig sei auch, dass sich ein solcher Anspruch aus § 21 Abs. 4 WEG ergeben könne, wenn der zweite Rettungsweg der erstmaligen plangerechten Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums diene. Denn zu einer ordnungsmäßigen Verwaltung, die ein einzelner Wohnungseigentümer gemäß § 21 Abs. 4 WEG verlangen könne, gehöre gemäß § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums. Hierzu zählten sowohl die erstmalige plangerechte Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums als auch Maßnahmen zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Anforderungen an das gemeinschaftliche Eigentum (Hinweis auf BGH v. 9.12.2016, V ...

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