Leitsatz

  1. Zur Einleitung gerichtlicher Maßnahmen, wenn die Eigentümerversammlung das Bestehen eines Anspruchs gegen Eigentümer oder Dritte für plausibel halten darf (hier: auf Unterlassung der Nutzung einer Wohnung durch ein psychisch krankes, die Miteigentümer störendes Familienmitglied einer Wohnungseigentümerin)
  2. Bei vereinbarter Zustimmung des Verwalters zur Vermietung von Wohnungseigentum gilt ein solches Zustimmungserfordernis i.d.R. nicht für unentgeltliche Nutzungsüberlassung
 

Normenkette

§§ 15, 21 Abs. 3 WEG

 

Kommentar

  1. Die Antragstellerin hatte ihrem psychisch kranken und seit Ende 2004 unter Betreuung stehenden Enkelkind ihre Wohnung seit 1994 zur Nutzung überlassen. Da sich die Antragsgegner durch dessen Wohnverhalten belästigt und bedroht fühlten, beschlossen sie 2005, "den Verwalter zu ermächtigen, im Namen und auf Kosten der Gemeinschaft einen Rechtsanwalt zu beauftragen, außergerichtliche und notfalls gerichtliche Maßnahmen gegen die Antragstellerin – nach Prüfung der Erfolgsaussicht eines solchen Verfahrens durch den Anwalt – zu ergreifen, damit die Nutzung der Wohnung durch deren Enkel künftig unterbleibe". Nach Anfechtung des Beschlusses beantragten die Antragsgegner im Gegenzug, die Antragstellerin zu verpflichten, die Überlassung der Wohnung an deren Enkel zur alleinigen Nutzung zu unterlassen.

    Das Enkelkind befindet sich derzeit in stationärer psychiatrischer Behandlung, wobei nach den glaubwürdigen Angaben der Betreuerin und des behandelnden Arztes (in 2. Instanz) noch nicht vorhersehbar sei, in welchem Umfang eine sozialverträgliche Nutzung der Wohnung möglich sein werde.

  2. Beschließen Eigentümer, einen Rechtsanwalt im Namen und auf Kosten der Gemeinschaft zur Durchführung von gerichtlichen Maßnahmen gegen einen Miteigentümer oder Dritte zu beauftragen, entspricht dies nicht nur dann ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn tatsächlich ein Anspruch besteht, sondern bereits, wenn die Eigentümerversammlung das Bestehen eines Anspruchs für plausibel halten darf und nur so die Rechte der Gemeinschaft gewahrt werden können. Da es im vorliegenden Fall in der Vergangenheit nach den bindenden Feststellungen der Vorinstanzen zu Störungen durch das Enkelkind kam, ist ein Anspruch auf Untersagung der Wohnungsnutzung nicht von vornherein von der Hand zu weisen. Der Anspruch stand allerdings noch unter dem beschlossenen Vorbehalt, dass nach Prüfung durch den beauftragten Anwalt eine gewisse Erfolgsaussicht besteht.
  3. Was den Beschluss auf ein generelles Nutzungsverbot betrifft, kann dieser jedoch nur gültig sein, wenn allein hierdurch eine Störung zu verhindern ist. Derzeit befindet sich jedoch das Enkelkind in stationärer psychiatrischer Behandlung. Gewisse Nachsicht sei den restlichen Eigentümern gegenüber Verhaltensauffälligkeiten einer psychisch kranken Person auch zuzumuten.
  4. Vorliegend bedurfte die Überlassung der Wohnung auch nicht der Verwalterzustimmung nach getroffener Vereinbarung. Wird in der Gemeinschaftsordnung die Zustimmung des Verwalters nur zur Vermietung verlangt, gilt ein solches Zustimmungserfordernis i.d.R. nicht für eine unentgeltliche Nutzungsüberlassung. Solche einschränkenden Klauseln sind eng auszulegen. Die restlichen Eigentümer befinden sich insoweit in keiner anderen Lage, als wenn der Eigentümer selbst störende Handlungen vornehmen würde.
  5. Im Augenblick gab es keine ausreichende Prognose, ob auch in Zukunft weitere Beeinträchtigungen zu erwarten seien (so der ausreichend tatrichterlich erforschte Sachverhalt durch die Vorinstanz unter korrekter Beweiswürdigung). Auch von Wiederholungsgefahr konnte in diesem Fall einer psychisch kranken Person noch nicht gesprochen werden; auch diese Frage bleibt tatrichterlicher Würdigung vorbehalten.
 

Link zur Entscheidung

OLG München, Beschluss vom 09.02.2010, 32 Wx 114/09

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