Leitsatz

Die Annahme der Unzumutbarkeit für Versorgungsleistungen, die ein getrennt lebender Ehegatte neben einer Vollzeitbeschäftigung einem neuen Partner erbringt, ist nach anderen Maßstäben zu beurteilen, als eine Erwerbstätigkeit, die etwa wegen Kindesbetreuung oder Alters unzumutbar wäre. Eine anzusetzende Vergütung für Versorgungsleistungen für einen neuen Partner ist insoweit nicht mit einem Einkommen aus Erwerbstätigkeit gleichzusetzen, als vielmehr die tatsächliche Übernahme und Ausübung der Versorgungsdienste ein gewichtiges Indiz für deren Zumutbarkeit darstellt. Im Übrigen ist auch im Falle der Unzumutbarkeit die Anrechnung der anzusetzenden Vergütung nicht ohne weiteres vollständig ausgeschlossen, sondern differenziert gemäß § 1577 Abs. 2 BGB zu beurteilen, da diese Vorschrift allgemein die Anrechnung von Einkünften aus unzumutbarer Tätigkeit des Unterhaltsberechtigten regelt.

 

Sachverhalt

Die Parteien lebten nach 5jähriger kinderloser Ehe seit Dezember 1992 getrennt. Beide waren - wie schon während ihres Zusammenlebens - voll berufstätig. Seit Juni 1993 lebt die Klägerin mit einem anderen Partner zusammen. Sie begehrt von ihrem Ehemann Trennungsunterhalt, weil dieser höheres Einkommen erziele als sie.

Das erstinstanzliche Gericht hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin ab 1. Dezember 1992 Trennungsunterhalt zu zahlen. Hierbei ging es davon aus, dass die Klägerin 3/7 der Differenz der beiderseitigen Einkünfte als Trennungsunterhalt beanspruchen könne. Ein fiktives Einkommen aufgrund des Zusammenlebens mit einem neuen Partner sei hier nicht anzurechnen, weil sie einer Ganztagsbeschäftigung nachgehe.

Gegen das erstinstanzliche Urteil legte der Beklagte Berufung ein mit dem Antrag, die Unterhaltsklage für die Zeit ab Juni 1993 abzuweisen. Das OLG wies das Rechtsmittel zurück. Mit der zugelassenen Revision verfolgte der Beklagte sein zweitinstanzliches Begehren weiter. Sein Rechtsmittel führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

 

Entscheidung

Der BGH wandte sich in seinem Urteil gegen die vom OLG vertretene Auffassung, fiktive Einkünfte aus Betreuungsleistungen gegenüber ihrem neuen Lebenspartner seien aufseiten der Klägerin nicht zu berücksichtigen, weil solche Leistungen neben einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit als "überobligatorisch" anzusehen seien. Die Annahme der Unzumutbarkeit im vorliegenden Fall sei nach anderen Maßstäben zu messen als bei einer Erwerbstätigkeit, die etwa wegen Kindesbetreuung oder Alters unzumutbar wäre. Haushaltsarbeit sei erfahrungsgemäß eher mit anderweitigen Verpflichtungen vereinbar. Im Übrigen sei die tatsächliche Übernahme und Ausübung der Versorgungsdienste für den neuen Partner der Klägerin ein wichtiges Indiz für deren Zumutbarkeit.

Im Übrigen habe das Berufungsgericht nicht berücksichtigt, dass auch im Falle der Unzumutbarkeit die Anrechnung der insoweit anzusetzenden Vergütung nicht ohne weiteres vollständig ausscheide, sondern differenziert gemäß § 1577 Abs. 2 BGB zu beurteilen sei, da diese Vorschrift allgemein die Anrechnung von Einkünften aus unzumutbarer Tätigkeit des Unterhaltsberechtigten regele. Der Umstand, dass der Unterhaltsberechtigte voll berufstätig sei, reiche nicht in jedem Fall aus, um die vollständige Anrechnungsfreiheit zu rechtfertigen. Eine wenigstens teilweise Anrechnung sei nach den Grundsätzen der Billigkeit erforderlich, wenn der neue Lebenspartner der Klägerin in gehobenen wirtschaftlichen Verhältnissen lebe und sie daran teilhaben lasse. Wenn die monatlich zu zahlende Miete allein von ihrem Partner getragen würde, könne die Klägerin nicht den vollen Unterhalt verlangen, sondern nur einen solchen, der aufgrund der anderweitigen Deckung ihres Wohnbedarfs reduziert sei. Auf konkrete Absprachen mit dem Partner zu diesem Punkt oder darauf, ob er den Beklagten zu entlasten gewillt sei, komme es nicht an. Die Klägerin treffe die Darlegungs- und Beweislast für ihre Bedürftigkeit und die nachteiligen Folgen einer insoweit verbleibenden Ungewissheit. Aufgrund dessen könne sie auch unter diesem Gesichtspunkt ungekürzten Unterhalt nicht verlangen.

Das angefochtene Urteil könne keinen Bestand haben und bedürfe erneuter tatrichterlicher Würdigung.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 11.01.1995, XII ZR 236/93

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