Rz. 119

Entsprechend den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung und Bilanzierung erstellte Handelsbilanzen zeichnen sich dadurch aus, dass sich in ihnen das Vorsichtsprinzip des § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB widerspiegelt. Das Vorsichtsprinzip dient im Bilanzrecht in erster Linie dem Gläubigerschutz.[73] Es soll eine vorsichtige Bewertung aller Vermögensgegenstände und Schulden gewährleisten, so dass möglichst alle Risiken und Verluste, die bis zum Abschlussstichtag bzw. zwischen dem Abschlussstichtag und dem Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses bekannt geworden sind, im Abschluss berücksichtigt werden (Imparitätsprinzip).[74] Gewinne dürfen hingegen nur unter der Voraussetzung erfasst werden, dass sie am Abschlussstichtag bereits realisiert waren (Realisationsprinzip).[75]

Neben dem Gläubigerschutz bewirkt das Vorsichtsprinzip auch, dass überhöhte Gewinnausweise sowie die Ausschüttung gar nicht erzielter Gewinne unterbleiben.

 

Rz. 120

Würden der Unternehmensbewertung (Plan-)Bilanzen und (Plan-)Gewinn- und Verlustrechnungen, die unter Beachtung des Vorsichtsprinzips erstellt wurden, unbereinigt zugrunde gelegt, ergäbe sich auch eine vorsichtige Einschätzung der künftigen Unternehmenserfolge. Man würde also im Prinzip einen Mindestertragswert erhalten, wie er dem Unternehmen selbst bei ungünstigsten Entwicklungen auf jeden Fall zukommen müsste.

Da Ziel der Unternehmensbewertung aber die Ermittlungen des "wirklichen" Werts des Unternehmens ist, ist eine Bereinigung der Jahresabschlüsse um aus dem Vorsichtsprinzip resultierende Effekte vorzunehmen.

[73] Morck/Drüen, in: Koller/Kindler/Roth/Drüen, HGB, § 252 Rn 5; Hopt/Merkt, HGB, § 252 Rn 11.
[74] Morck/Drüen, in: Koller/Kindler/Roth/Drüen, HGB, § 252 Rn 5; Hopt/Merkt, HGB, § 252 Rn 11; Böcking/Gros/Wirth, in: Ebenroth/Boujong/Jost/Strohn, HGB, § 252 Rn 26.
[75] Morck/Drüen, in: Koller/Kindler/Roth/Drüen, HGB, § 252 Rn 5; Hopt/Merkt, HGB, § 252 Rn 11; Böcking/Gros/Wirth, in: Ebenroth/Boujong/Jost/Strohn, HGB, § 252 Rn 26.

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