3. Klausur: Einstweiliger Rechtsschutz[Autor]

Bearbeitungszeit für diese – mittelschwere – Klausur: 90 Minuten

Sachverhalt:

Ein in Zugewinngemeinschaft lebendes Ehepaar setzt sich in zwei Einzeltestamenten gegenseitig zu Alleinerben des gesamten Vermögens ein. Der einzige Abkömmling, die Tochter T, soll nur den Pflichtteil erhalten. Die in München lebende Mutter M verstirbt zuerst (am 1.6.2023), sodass Vater V Alleinerbe wird und einen Erbschein erhielt.

Im Nachlass befinden sich Siemens-Aktien mit den Nr. 1234–5678XYZ 0815/4711 (Wert: 150.000 EUR). Diese Wertpapiere befinden sich nicht bei der Bank, sondern werden im hauseigenen Safe gelagert. Des Weiteren hat die Mutter 10.000 EUR als Bargeld im Safe hinterlassen. Nachlassverbindlichkeiten sind bereits zuvor ausgeglichen worden, so dass es sich um den Restnachlass handelt.

Die Tochter T hat ihren Vater mehrfach erfolglos aufgefordert, ihr auf jeden Fall den Pflichtteil auszubezahlen. Durch Zufall erfuhr T, dass ihr Vater eine neue junge Freundin aus Thailand hat und plant, seinen Wohnsitz nunmehr ebenfalls an den Wohnort seiner Urlaubsbekanntschaft in Phuket zu verlagern. Zudem erklärte V gegenüber den Nachbarn, er gebe nichts von dem Erbe ab, da er in Thailand mit seiner großen neuen Liebe neu anfangen und ein Hotel dort errichten möchte. Ihr Vater ist zurzeit noch wohnhaft in der Arabellastr. 123 in München.

Des weiteren hat er dem Nachbarn, Herrn Müller, der als Zeuge zur Verfügung stehen würde, anvertraut, dass das Testament von seiner Ehefrau nur unterschrieben aber nicht selbst von ihr gefertigt sei, da sie doch todkrank war. Aus diesem Grunde war er ihr bei der Abfassung des Testamentes behilflich.

Nachdem die Tochter ihn mit der Fälschung des Testamentes konfrontiert und zur Herausgabe der Gegenstände an die Erbengemeinschaft aufgefordert hatte, erklärte V nur kurz sein Vorhaben mit Thailand und dass sie nichts von ihm bekommen würde, da sie eine undankbare Tochter sei. Sein Flug nach Thailand ging schon übermorgen vom Flughafen München los. Dann sei er endlich auch bei seiner großen Liebe und könne mit ihr ein neues Leben anfangen. Es sei ein Abschied für immer.

Die Tochter T bittet Sie um anwaltliche Hilfe.

Fragen:

1. Welche Ansprüche/Rechte hat T?
2. Welche Möglichkeiten bestehen zur gerichtlichen Sicherung bzw. Durchsetzung ihrer Ansprüche?
3. Welche Vorschrift ist bei Anwendung des FamFG einschlägig?

Hinweis für den Bearbeiter:

Aus Zeitgründen soll nicht auf eine etwaige Erbunwürdigkeit oder die Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft eingegangen werden.

Lösung:

A. (Frage 1)

Zunächst ist fraglich, welche Ansprüche die Tochter T gegen ihren Vater V haben könnte.

Sofern die Tochter T durch eine Zeugenaussage des Nachbarn Herrn Müller beweisen kann, dass das Testament nicht von der Mutter M stammt, wäre kein rechtsgültiges Testament vorhanden.

Nach § 2247 Abs. 1 BGB muss ein handschriftliches Testament vollständig eigenhändig gefertigt werden.

Problematisch wird es, wenn die Zeugenaussage aufgrund ihres Inhalts allein das Gericht nicht überzeugt.

Im Rahmen der Beweiswürdigung hinsichtlich der Urkunde ist dann zudem § 416 ZPO zu beachten. Danach begründen Privaturkunden, sofern sie vom Aussteller unterschrieben sind, vollen Beweis dafür, dass die in ihnen enthaltenen Erklärungen von den Ausstellern abgegeben sind. Privaturkunden sind alle nichtöffentlichen Urkunden, also auch Testamente (Zöller/Geimer, § 416 ZPO Rn 1).

Hier ist jedoch das Testament von der Mutter unterschrieben worden. Dies bedeutet, dass wenn – aufgrund guter Fälschung – selbst ein Schriftsachverständiger nicht ausschließen kann, dass der Haupttext von der Mutter M stammt, dann quasi die Echtheit der gesamten Urkunde unterstellt wird. Steht aber nur die Eigenhändigkeit der Unterschrift fest, ist dies nach herrschender Auffassung (vgl. Grüneberg/Weidlich, § 2247 Rn 20) lediglich ein Indiz, aber kein Beweis für die Eigenhändigkeit des gesamten Testaments, da die §§ 416, 440 Abs. 2 ZPO eben nur eine Vermutung für die erfolgte Echtheit der über der Unterschrift stehenden Erklärung aufstellen. Dies gilt jedoch nicht hinsichtlich der Formgültigkeit!

Sofern das Schriftbild des Testamentsinhalts von dem der Unterschrift auffällig abweicht, liegt im Übrigen ein sonstiger äußerer Mangel vor. Dann entscheidet nach § 419 ZPO das Gericht nach freier Überzeugung über die Beweiskraft der Urkunde.

Kann die Tochter beweisen, dass das Testament unwirksam errichtet worden ist, dann steht ihr ein Anspruch gegenüber dem Vater auf Herausgabe aller Nachlassgegenstände aus § 2018 BGB zu. Der Vater maßt sich hier nämlich eine Alleinerbenstellung an, die ihm rechtlich nicht zusteht. Da die durch die gesetzliche Erbfolge entstandene Erbengemeinschaft zwischen Vater V und Tochter T noch nicht auseinandergesetzt ist, kann Tochter T wegen § 2039 S. 2 BGB die Hinterlegung des Nachlassvermögens verlangen. Ist das Nachlassvermögen nicht für eine Hinterlegung geeignet, kann sie beantragen, dass an einen gerichtlich zu bestellenden...

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