Leitsatz

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann jedenfalls dann die Aufbringung von Vorschüssen beschließen, um den Verwalter in die Lage zu versetzen, einen Rechtsanwalt mit der Rechtsverteidigung der übrigen Wohnungseigentümer gegen Beschlussanfechtungsklagen zu beauftragen, wenn solche Klagen allgemein zu erwarten sind. In diesem Fall können Mittel im Gesamtwirtschaftsplan und in den Einzelwirtschaftsplänen aller Wohnungseigentümer angesetzt werden. Sind Beschlussanfechtungsklagen nicht abzusehen, können die Wohnungseigentümer den Verwalter durch Mehrheitsbeschluss ermächtigen, dafür Gemeinschaftsmittel einzusetzen.

 

Normenkette

§§ 10 Abs. 6, 16 Abs. 8, 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WEG

 

Das Problem

  1. Wohnungseigentümer genehmigen am 7.11.2012 den vom Verwalter vorgelegten Entwurf eines Gesamtwirtschaftsplans für das Wirtschaftsjahr 2013 sowie die dazugehörigen Einzelwirtschaftspläne. Im Gesamtwirtschaftsplan ist mit Blick auf laufende Anfechtungsklagen eine Ausgabenposition "RA-Kosten/Rechtsstreit" mit 7.000 EUR vorgesehen. In den Einzelwirtschaftsplänen wird dieser Betrag mit dem Umlageschlüssel "Miteigentumsanteile" auf alle Wohnungseigentümer umgelegt.
  2. Gegen den Genehmigungsbeschluss gehen 2 Wohnungseigentümer vor. Sie beanstanden nur die Ausgabenposition "RA-Kosten/Rechtsstreit" in den Einzelwirtschaftsplänen. Das AG Hohenstein-Ernstthal erklärt den Beschluss auf die Klage hin für ungültig. Auf die Berufung weist das LG Dresden die Klage hingegen ab. Mit der Revision möchten die klagenden Wohnungseigentümer die Wiederherstellung der Entscheidung des AG's erreichen.
 

Die Entscheidung

  1. Ohne Erfolg! Es lägen weder Nichtigkeits- noch Anfechtungsgründe vor. Die Wohnungseigentümer seien befugt gewesen, die Ausgabenposition "RA-Kosten/Rechtsstreit" in den Einzelwirtschaftsplänen anzusetzen. Der Ansatz entspreche ferner nach Anlass, Umfang und Verteilungsmodus den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung. Wohnungseigentümer seien jedenfalls dann befugt, im Wirtschaftsplan Mittel für die Rechtsverteidigung der übrigen Wohnungseigentümer gegen Anfechtungsklagen anzusetzen, wenn solche Klagen allgemein zu erwarten seien. Das verstehe sich allerdings nicht von selbst. Anfechtungsklagen seien nach § 46 Abs. 1 Satz 1 WEG nicht gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer "als Verband", sondern gegen die übrigen Wohnungseigentümer zu richten. Die dafür entstehenden Kosten seien deshalb keine Kosten der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums, der das Verbandsvermögen diene. Trotzdem dürfe der Verwalter nach herrschender Meinung den von ihm mit der Verteidigung der übrigen Wohnungseigentümer gegen eine Beschlussanfechtungsklage beauftragten Rechtsanwalt aus Gemeinschaftsmitteln bezahlen (Hinweis unter anderem auf BayObLG v. 25.6.1992, 2 Z BR 25/92, NJW-RR 1992 S. 1431 f.; LG Köln v. 9.2.2012, 29 S 181/11, ZWE 2012 S. 280 f.; LG Düsseldorf v. 12.1.2009, 25 T 554/08, ZMR 2009 S. 712; Deckert, ZWE 2009, S. 63, 66; Elzer, in Riecke/Schmid, WEG, 3. Aufl. 2010, § 16 Rn. 322). Die Mittel hierfür könnten durch Ansatz in der Abrechnung oder im Wirtschaftsplan, durch Sonderumlage oder eine "besondere Rücklage" aufgebracht werden (Hinweis unter anderem auf KG Berlin v. 5.10.2005, 24 W 6/05, ZMR 2006 S. 224, OLG Köln v. 16.5.2003, 16 Wx 76/03, OLGR 2003 S. 241 f., Deckert, ZWE 2009 S. 63, 67 und Elzer, in Riecke/Schmid, WEG, 3. Aufl. 2010, § 16 Rn. 323). Dabei werde eine Kompetenz zur Beschlussfassung meist stillschweigend vorausgesetzt, teilweise aus der Vertretungsbefugnis des Verwalters nach § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG und teilweise auch aus § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG abgeleitet.
  2. Die Kompetenz ergäbe sich jedenfalls in der vorliegenden Fallgestaltung aus § 10 Abs. 6 Satz 3 Fall 2 WEG. Allerdings gehörten die Kosten einer Anfechtungsklage nicht zu den umlagefähigen Kosten der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums nach § 16 Abs. 2 WEG. Sie dürften deshalb im Grundsatz auch nicht in dem Wirtschaftsplan angesetzt werden. Die Führung eines solchen Rechtsstreits werde auch nicht dadurch zu einer (geborenen) Gemeinschaftsangelegenheit, dass der Verwalter nach § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG befugt ist, die Rechtsverteidigung der übrigen Wohnungseigentümer zu organisieren und mit der Vertretung der verklagten Wohnungseigentümer einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Der Gesetzgeber habe dem Verwalter 2 unterschiedliche Rollen zugewiesen: die Rolle "als Organ der Gemeinschaft als Verband" und die Rolle "als Vertreter der (einzelnen) Wohnungseigentümer als Mitglieder des Verbands". Mit der Neufassung von § 27 WEG habe er die mit beiden Rollen verbundenen Befugnisse klar trennen wollen. § 27 Abs. 1 und 3 WEG solle die Befugnisse des Verwalters als Organ des Verbands beschreiben, § 27 Abs. 2 WEG die Befugnisse des Verwalters als Vertreter der Wohnungseigentümer. Die Verteidigung der übrigen Wohnungseigentümer gegen eine Anfechtungsklage sei keine originäre Angelegenheit des Verbands, weil das Verfahren nach § 46 Abs. 1 WEG nicht als Verbandsprozess, sondern als M...

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