Leitsatz

Dem Erlass eines Anerkenntnisurteils steht die fehlende Durchführung eines obligatorischen Schlichtungsverfahrens vor der Klageerhebung nicht entgegen

 

Normenkette

§ 307 ZPO; § 15a EGZPO; Art. 1 Nr. 2 BaySchlG

 

Das Problem

  1. Wohnungseigentümer K nimmt Wohnungseigentümer B auf Unterlassung von Äußerungen in Anspruch, die in einem an die übrigen Wohnungseigentümer gerichteten Schreiben enthalten sind. In der vom Amtsgericht durchgeführten Güteverhandlung erkennt B, der keinen Anwalt hat, nach eingehender Erörterung der Sach- und Rechtslage den Klageanspruch an.
  2. Das Amtsgericht erlässt daraufhin ein Anerkenntnisurteil. Das Landgericht München I weist B's Berufung, mit der er geltend macht, die Klage sei wegen des vor Klageerhebung nicht durchgeführten, aber nach Art. 1 Nr. 2 des Bayerischen Gesetzes zur obligatorischen außergerichtlichen Streitschlichtung in Zivilsachen (Bayerisches SchlichtungsgesetzBaySchlG) zwingenden Streitschlichtung unzulässig gewesen, zurück.

    Art. 1 BaySchlG (Sachlicher Umfang der obligatorischen Schlichtung)

    Vor den Amtsgerichten kann in folgenden bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten mit Ausnahme der in § 15a Abs. 2 EGZPO genannten Streitigkeiten eine Klage erst erhoben werden, wenn die Parteien einen Versuch unternommen haben, die Streitigkeit vor einer in Art. 3 genannten Schlichtungs- oder Gütestelle gütlich beizulegen:

    1. (...)
    2. in Streitigkeiten über Ansprüche wegen der Verletzung der persönlichen Ehre, die nicht in Presse oder Rundfunk begangen worden ist,

    (...)

  3. Zwar hätte nach § 15a EGZPO in Verbindung mit Art. 1 Nr. 2 BaySchlG vor Erhebung der Klage ein Streitschlichtungsverfahren durchgeführt werden müssen. Wenn nach einer ausführlichen Erörterung der Sache in der obligatorischen Güteverhandlung eine gütliche Streitbeilegung durch ein umfassendes prozessuales Anerkenntnis erreicht werde, stelle die vorgerichtliche Streitschlichtung aber eine verzichtbare Prozessvoraussetzung für den Erlass eines Anerkenntnisurteils dar. Mit der Revision will B weiterhin die Klageabweisung erreichen.
 

Die Entscheidung

  1. Ohne Erfolg! Zwar unterfalle das Verfahren dem Anwendungsbereich von Art. 1 Nr. 2 BaySchlG. Das Landgericht München I nehme aber zu Recht an, dass das Amtsgericht ein Anerkenntnisurteil erlassen durfte. Parteien könnten zwar nicht über Prozess- und Rechtsmittelvoraussetzungen verfügen, sodass diese auch im Fall eines Anerkenntnisses von dem Gericht zu prüfen seien (Hinweis auf BGH v. 18.7.2013, IX ZB 41/12, WM 2013 S. 1827 Rn. 7; BGH v. 10.11.2009, XI ZB 15/09, NJW-RR 2010 S. 275 Rn. 15).
  2. Ein Anerkenntnisurteil könne aber ausnahmsweise dann ergehen, wenn ihm eine fehlende Prozessvoraussetzung nach Sinn und Zweck des § 307 ZPO nicht entgegenstehe. So sei bereits entschieden, dass der Revisionsbeklagte den gegen ihn geltend gemachten Anspruch, jedenfalls solange der Kläger seine Revision noch nicht begründet hat, durch Erklärung seines zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten anerkennen könne, obwohl vor dem Bundesgerichtshof nach § 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO ein qualifizierter Anwaltszwang besteht (Hinweis auf BGH v. 6.5.2014, X ZR 11/14, NJW-RR 2014 S. 831 Rn. 7). Ebenso könne der Beklagte den Klageanspruch innerhalb laufender Berufungsbegründungsfrist wirksam anerkennen, auch wenn die Berufung nicht mehr begründet und das Rechtsmittel damit unzulässig werde (Hinweis auf BGH v. 18.7.2013, IX ZB 41/12, WM 2013 S. 1827 Rn. 8).
  3. Für ein Anerkenntnis, das auf eine ohne vorherige Durchführung eines Schlichtungsverfahrens erhobene Klage hin erklärt wurde, gelte nichts anderes. Dem Sinn und Zweck des § 307 ZPO liefe es zuwider, wenn ein Gericht bei einem wirksam erklärten Anerkenntnis kein Anerkenntnisurteil erlassen könnte. Für die Durchführung eines Streitschlichtungsverfahrens fehle in diesem Fall ein Bedürfnis, da der Streit durch die voll umfängliche Anerkennung des Klageanspruchs gerade beigelegt wurde.
 

Kommentar

Anmerkung

Der Fall wird vom Bundesgerichtshof allein prozessual gelöst. Er ist damit eigentlich kein "wohnungseigentumsrechtlicher" Fall. Von dem Fall wird hier berichtet, weil indessen daran erinnert wird, dass Wohnungseigentümer – wenn sie denn einander beleidigen – in manchem Bundesland vor einer Klagerhebung ein obligatorisches Schlichtungsverfahren durchlaufen müssen.

Was ist für den Verwalter wichtig?

Soweit ein Land von der Ermächtigung des § 15a EGZPO Gebrauch gemacht hat, können auch Hausgeldklagen – wenn sie sich in einem "niedrigen" Bereich bewegen – zulässig erst nach einem obligatorischen Schlichtungsverfahren erhoben werden. Es kann daher besser sein, zunächst das Mahnverfahren zu beschreiten: Dann ist eine obligatorische Schlichtung in der Regel nicht erforderlich.

Checkliste

Auf Grundlage von § 15a EGZPO sind folgende Landesgesetze erlassen worden:

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