RVG § 18 Nr. 1 RVG VV Nr. 3309 ZPO § 788

Leitsatz

Eine gegenüber den Mitgliedern einer Wohnungseigentümergemeinschaft ausgesprochene Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung führt jedenfalls dann nicht zum gesonderten Anfall der anwaltlichen Vollstreckungsgebühr (Nr. 3309 VV) je Miteigentümer, wenn die Aufforderung nicht an die Miteigentümer selbst, sondern an deren Prozessbevollmächtigten verschickt wird.

LG Saarbrücken, Beschl. v. 14.8.2012 – 5 T 378/12

1 Sachverhalt

Der Anwalt hatte für die beiden Klägerinnen erfolgreich eine Beschlussanfechtungsklage gegen 60 Miteigentümer einer Wohnungseigentumsanlage sowie die zugehörige Hausverwaltungs-GmbH geführt und hiernach einen Kostenfestsetzungsbeschluss zugunsten der Klägerinnen gegen die Beklagten über 1.103,62 EUR nebst Zinsen erwirkt. Nachdem die festgesetzen Kosten nicht fristgerecht bezahlt wurden, hat der Anwalt die Wohnungseigentümer sowie die Hausverwaltungs-GmbH durch ein an deren Prozessbevollmächtigten gerichtetes Schreiben unter Fristsetzung zur Zahlung aufgefordert und die Zwangsvollstreckung angedroht. Gleichzeitig verlangte er für die Klägerinnen Erstattung der angefallenen Kosten der Vollstreckungsandrohung, und zwar 61 mal eine 0,3-Verfahrensgebühr nebst Auslagen und Umsatzsteuer aus der vollen Erstattungsbetrag, insgesamt 4.442,63 EUR. Die festgesetzten Kosten wurden daraufhin von den Beklagten gezahlt gezahlt sowie zwei Vollstreckungsgebühren nebst Auslagen und Umsatzsteuer, nämlich einmal für die WEG und einmal für die Hausverwaltungs-GmbH. Die Beklagten waren insoweit der Auffassung die Vollstreckungsandrohung gegen die 60 Wohnungseigentümer könne nur einmal abgerechnet werden. Wegen der weiteren 59 Beträge riefen die Klägerinnen daraufhin das Gericht an und beantragten die Festsetzung dieser Kosten nach § 788 ZPO. Das AG hat den weitergehenden Festsetzungsantrag zurückgewiesen. Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.

2 Aus den Gründen

Die sofortige Beschwerde ist jedoch nicht begründet und war deshalb zurückzuweisen.

1. Wovon auch das AG in seinem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss zutreffend ausgegangen ist, steht den Gläubigerinnen wegen der Zahlungsaufforderung ihrer Prozessbevollmächtigten eine 0,3-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3309 VV (vgl. dazu BGH NJW-RR 2003, 1581 m.w.N.).

2. Es kann für die Entscheidung des vorliegenden Beschwerdeverfahrens offen bleiben, ob die Verfahrensgebühr zweimal angefallen ist, weil in der Zahlungsaufforderung als Schuldner sowohl die übrigen Miteigentümer der WEG als auch deren Verwalterin, die Gesellschaft für Hausverwaltung mbH genannt sind. Dieses Problem kann deshalb dahin stehen, weil das AG in seinem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss zugunsten der Gläubigerinnen davon ausgegangen ist, dass sich die Zahlungsaufforderung gegen zwei Schuldner gerichtet hat und dass deshalb die Rechtsanwaltsgebühren auch zweimal angefallen sind. Das AG hat bei seiner Gebührenfestsetzung in Höhe des Betrages von 72,83 EUR berücksichtigt, dass die Vollstreckungsgebühren bereits in Höhe eines Betrages von 72,83 EUR beglichen worden sind. Eine darüber hinaus gehende Erhöhung der gemäß Nr. 3309 VV angefallene Verfahrensgebühr ist jedenfalls nicht gerechtfertigt.

Gem. § 15 Abs. 2 S. 1 RVG kann der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern. Die Frage, ob im Falle einer gegen mehrere Gesamtschuldner gerichteten Zwangsvollstreckung jeweils eigene Angelegenheiten im gebührenrechtlichen Sinne vorliegen, wird in der Rspr. unterschiedlich beantwortet (vgl. dazu OLG Köln JurBüro 2010, 301; OLG Schleswig JurBüro 1996, 89 m.w.N.; OLG Frankfurt AGS 2004, 69; OLG Düsseldorf InVo 1997, 196 m.w.N.).

Jedenfalls in dem vorliegenden Fall haben entgegen der Auffassung der Gläubigerinnen keine 61 Vollstreckungsangelegenheiten vorgelegen, die es rechtfertigen würden, ihrer Prozessbevollmächtigten 61 mal die Vollstreckungsgebühr zuzubilligen.

Die Prozessbevollmächtigte der Gläubigerinnen hat nur eine einzige Zahlungsaufforderung an denselben Adressaten, nämlich an die Prozessbevollmächtigten der Schuldnerinnen gerichtet. In dieser Zahlungsaufforderung waren die Miteigentümer der WEG nicht namentlich aufgeführt.

Dieses Vorgehen kann lediglich als eine einheitliche Vollstreckungsmaßnahme im gebührenrechtlichen Sinn angesehen werden (vgl. dazu OLG Schleswig a.a.O.; OLG Köln a.a.O.).

Ob dies anders zu beurteilen wäre, wenn die Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsandrohung an jeden einzelnen der Gesamtschuldner gerichtet worden wäre (vgl. dazu BGH a.a.O.) kann im vorliegenden Fall dahinstehen.

4. Bei der Auslegung des § 15 Abs. 2 S. 1 RVG und bei der Bewertung, ob die Tätigkeit der Rechtsanwältin in derselben Angelegenheit erbracht wurde, ist zu berücksichtigen, dass durch die angefallenen Rechtsanwaltsgebühren der Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts angemessen abgegolten werden soll. Wird der Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit tätig, wird grundsätzlich auch sein Arbeitsaufwand geringer sein als bei einer Tätigkeit in unterschiedlichen Angelegenheiten....

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