JGG § 74

Leitsatz

  1. Die Entscheidung des Jugendrichters, davon abzusehen, dem Angeklagten seine notwendigen Auslagen aufzuerlegen, beinhaltet nicht zugleich die Entscheidung, dass dessen notwendige Auslagen der Landeskasse überbürdet werden; sie lässt sich auch nicht dahin umdeuten.
  2. § 74 JGG räumt dem Jugendgericht nicht die Möglichkeit ein, der Landeskasse die notwendigen Auslagen des jugendlichen oder heranwachsenden Angeklagten aufzuerlegen.

LG Potsdam, Beschl. v. 12.5.2014 – 24 Qs 23/14

1 Sachverhalt

Das AG – Jugendrichter – führte gegen den Angeklagten ein Strafverfahren durch. Einen von der Jugendrichterin in der Hauptverhandlung erlassenen "Verwarnungsbeschluss", der mit einer Arbeitsauflage versehen war und keine Kostenentscheidung enthielt, hob das LG Potsdam – Jugendkammer – im Beschwerdeverfahren auf und erlegte die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers der Staatskasse auf.

Daraufhin stellte das AG das Verfahren gem. § 47 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 JGG i.V.m. § 153 Abs. 2 StPO ein, wobei es den Beschluss mit folgender Kostenentscheidung versah: "Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse; es wird davon abgesehen, dem Angeklagten seine notwendigen Auslagen aufzuerlegen (§§ 467 Abs. 4 StPO; 74 JGG)."

Die wegen dieser "nicht eindeutigen" Kostenentscheidung gegen den Einstellungsbeschluss eingelegte Beschwerde nahm die Verteidigerin, die zuvor beim AG erfolglos um eine Berichtigung im Sinne einer Auslagenüberbürdung auf die Staatskasse nachgesucht hatte, gegenüber der Beschwerdekammer des LG Potsdam zurück, weil sie hinsichtlich der Angabe des § 467 Abs. 4 StPO von einem Schreibfehler und im Übrigen davon ausging, dass nach dem "eindeutigen" Wortlaut des Beschlusses die Kosten des Verfahrens der Staatskasse auferlegt worden seien.

Sodann stellte die Verteidigerin mit Kostenrechnung den Antrag, die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen gegen die Staatskasse festzusetzen. Dabei machte sie für die "1. Instanz" einen Betrag von 887,15 EUR, für das "Beschwerdeverfahren (Berufungsverfahren)" einen Betrag von 345,10 EUR und für das "Verfahren nach Zurückverweisung" einen Betrag von 357,00 EUR geltend.

Hierzu führte sie aus, nach einer telefonischen Auskunft der damaligen Berichterstatterin der Beschwerdekammer sei die widersprüchliche Kostenentscheidung in dem Beschluss des AG eindeutig dahin zu verstehen, dass die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse auferlegt worden seien; allein deshalb habe die Verteidigerin die hiergegen gerichtete Beschwerde zurückgenommen. Für das Beschwerdeverfahren sei eine gesonderte Gebühr entstanden, da die Verwarnung richtigerweise nur durch Urteil hätte erfolgen dürfen und die Beschwerde daher einer Berufung gegen ein Urteil gleichzusetzen sei. Bei der Beschwerdeentscheidung des LG handele es sich inhaltlich um eine Zurückverweisung, so dass die Angelegenheit anschließend einen neuen Rechtszug darstelle.

Nach Anhörung des Vertreters der Landeskasse hat die Rechtspflegerin des AG den Kostenfestsetzungsantrag zurückgewiesen, da eine ausdrückliche Überbürdung der notwendigen Auslagen des Angeklagten auf die Landeskasse nicht erfolgt sei und das (erste) Beschwerdeverfahren, welches noch zur Instanz gehöre, für die Verteidigerin keine besondere Angelegenheit ausgelöst habe; die insoweit beanspruchte Verfahrensgebühr nach Nr. 4124 VV sei nicht entstanden sei, da kein Berufungsverfahren stattgefunden habe. Eine Zurückverweisung i.S.v. § 21 RVG liege nicht vor.

Gegen diesen Kostenfestsetzungsbeschluss richtet sich die (sofortige) Beschwerde der Verteidigerin.

2 Aus den Gründen

1. Die gem. den §§ 464b S. 3 StPO, 104 Abs. 3 S. 1 ZPO, 11 Abs. 1 RPflG gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss statthafte sofortige Beschwerde, über welche die Kammer in der für das Strafverfahren vorgesehenen Besetzung zu entscheiden hat (vgl. Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, 56. Aufl., § 464b, Rn 7; BGH NJW 2003, 763), ist zulässig. Das Rechtsmittel wurde innerhalb der hier maßgeblichen Wochenfrist des § 311 Abs. 2 StPO eingelegt. Zudem ist die sich aus § 304 Abs. 3 StPO ergebende Beschwerdewertgrenze von 200,00 EUR überschritten.

Die Kammer geht zugunsten des Angeklagten davon aus, dass die sofortige Beschwerde der Verteidigerin – was nicht ausdrücklich geschehen ist – im Namen ihres Mandanten eingelegt wurde. Das Rechtsmittel steht allein dem von dem Kostenfestsetzungsbeschluss beschwerten Angeklagten zu. Die Verteidigerin kann hiergegen nicht ausschließlich in eigenem Namen das Rechtsmittel einlegen (vgl. Thüringer OLG, Beschl. v. 28.2.2014 – 1 Ws 403/13; LG Saarbrücken, Beschl. v. 7.11.2012 – 2 Qs 40/12).

2. In der Sache bleibt der sofortigen Beschwerde allerdings der Erfolg versagt. Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss ist rechtlich nicht zu beanstanden.

a) Zu Recht hat die Rechtspflegerin eine Erstattung der für die "1. Instanz" geltend gemachten anwaltlichen Gebühren und Auslagen abgelehnt. Es fehlt insoweit an einer die Erstattungspflicht der Landeskasse begründenden Auslagenüberbürdung. Eine solche ist mit der Kostene...

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