Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenfestsetzung bei teilweisem Freispruch

 

Leitsatz (amtlich)

Durch die vollständige Verrechnung gezahlter Pflichtverteidigergebühren wird der anerkannte Grundsatz gewahrt, wonach ein Beschuldigter insgesamt nicht mehr als die Gebühren eines Wahlverteidigers zu zahlen haben soll.

 

Normenkette

StPO §§ 464 a, 464 b; RVG § 52

 

Verfahrensgang

LG Erfurt (Entscheidung vom 18.09.2013; Aktenzeichen 840 Js 10042/10 2 KLs)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Verurteilten verworfen.

Der Beschwerdewert wird auf 1930,18 € festgesetzt.

 

Gründe

I.

Gegen den früheren Angeklagten B erhob die Staatsanwaltschaft Erfurt unter dem Aktenzeichen 840 Js 24269/10 Ende November 2010 Anklage zum Amtsgericht Erfurt wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit gemeinschaftlichem Raub und gemeinschaftlicher versuchter Nötigung. Wegen dieser Taten sowie weiterer Taten hatte die Staatsanwaltschaft Erfurt bereits am 28.07.2010 gegen vier Mitangeklagte Anklage zum Amtsgericht Erfurt erhoben. Am 10.02.2010 wurde Rechtsanwältin M vom Amtsgericht Erfurt zur Pflichtverteidigerin bestellt.

Mit Beschluss vom 13.12.2010 wurde das Verfahren 840 Js 24269/10 422 Ls zum führenden Verfahren 840 Js 10042/10 422 Ls hinzuverbunden und die Sache wurde an die zuständige Strafkammer des Landgerichts Erfurt verwiesen, da die Strafgewalt des Amtsgerichts Erfurt nicht ausreiche. Hierfür war u. a. maßgeblich, dass gegen den früheren Mitangeklagten R F eine Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten aus dem Urteil des Landgerichts Leipzig im Verfahren 3 KLs 701 Js 22567/10 einzubeziehen war.

Mit Urteil des Landgerichts Erfurt vom 21.02.2012 wurde der frühere Angeklagte B der gefährlichen Körperverletzung schuldig gesprochen und unter Einbeziehung der durch Urteil des Amtsgerichts Erfurt vom 16.02.2009, Az. 810 Js 28822/09 43 Ds, verhängten Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Im Übrigen wurde er freigesprochen. Im Umfang des Freispruchs wurden die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des früheren Angeklagten B der Staatskasse auferlegt.

Die Pflichtverteidigergebühren der Beschwerdeführerin wurden mit Beschluss des Landgerichts Erfurt vom 02.04.2012 - weitgehend entsprechend dem Antrag der Verteidigerin vom 05.03.2012 - auf 2.243,51 € festgesetzt.

Mit Schriftsatz vom 30.11.2012 beantragte die Verteidigerin die Festsetzung der auf den Freispruch entfallenden Gebühren, wobei sie die Wahlverteidigerhöchstgebühren in Ansatz brachte (4.173,69 €). Auf den Hinweis der zuständigen Rechtspflegerin, dass der Antrag nicht den Anforderungen an eine substantiierte Darlegung nach der Differenztheorie entspricht, teilte die Verteidigerin dem Landgericht mit, dass dann, wenn nur die zum Schuldspruch führende Körperverletzungshandlung Gegenstand des Verfahrens gewesen wäre, eine Verhandlung vor dem Amtsgericht - Strafrichter - hätte erfolgen können und eine Verteidigung insoweit nicht notwendig gewesen wäre. Festzusetzen seien deshalb 4.173,69 € abzüglich der ausgezahlten Pflichtverteidigervergütung in Höhe von 2.243,51 €, mithin 1930,18 €. Nur vorsorglich bezifferte sie die auf die Verurteilung entfallenden Gebühren auf 2.448,19 €.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 18.09.2013 hat die Rechtspflegerin den "Antrag der Verteidigerin auf Festsetzung der notwendigen Auslagen des ehemals Beschuldigten M B gegen die Staatskasse gemäß § 464b Satz 1 StPO vom 30.11.2012 sowie den rein vorsorglich gestellten Antrag vom 08.02.2013" zurückgewiesen. Der Beschluss geht davon aus, dass sich bei grundsätzlich für erstattungsfähig erachteten (fiktiven) Wahlverteidigerkosten für die Gesamtverteidigung in Höhe von 3.510,86 € unter Anwendung der Differenztheorie - d. h. nach Abzug der fiktiv zu ermittelnden Gebühren für diejenigen Tatvorwürfe, die zur Verurteilung geführt haben und die mit 2.448,19 € anzusetzen seien - ein Betrag von 1.062,67 € als auf den Freispruch entfallende Gebühren und Auslagen ergebe. Da die bereits aus der Staatskasse gezahlten und anzurechnenden Pflichtverteidigergebühren von 2.243,51 € diesen Betrag übersteigen, verbleibe kein gegen die Staatskasse festzusetzender Betrag.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde vom 27.09.2013, mit der die Verteidigerin auf ihre bisherigen Ausführungen Bezug nimmt und insbesondere auf die vom OLG Oldenburg mit Beschluss vom 25.01.2007, 1 Ws 573/06, vertretene Rechtsauffassung verweist.

II.

Auch wenn die Verteidigerin das Rechtsmittel (wie schon den Kostenfestsetzungsantrag) nicht ausdrücklich im Namen des - nach der Kostengrundentscheidung allein erstattungsberechtigten - Angeklagten eingelegt (gestellt) hat, ist davon mangels Darlegung einer eigenen Antragsberechtigung der Verteidigerin (z. B. aufgrund Abtretung) im Zweifel auszugehen (vgl. KK-Gieg, StPO, 7. Aufl., § 464b Rdnr. 3). Die mit dieser Maßgabe statthafte und zulässige (§§ 11 ...

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