Die Entscheidung ist zutreffend.

Nimmt die Staatsanwaltschaft ihre Anklage zurück, so wird häufig unbesehen im gerichtlichen Verfahren eine Zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV abgerechnet. Dies ist jedoch nicht richtig. Die bloße Rücknahme der Anklage selbst löst noch keine Zusätzliche Gebühr aus, da die Anklage jederzeit erneut erhoben werden kann.

Mit der Zurückversetzung in das Ermittlungsverfahren ist die Sache daher noch nicht beendet. Es bestehen jetzt zwei Möglichkeiten:

  Das Verfahren wird eingestellt.
  Es wird erneut Anklage erhoben oder Antrag auf Erlass eines Strafbefehls gestellt.

Wird das Verfahren eingestellt, dann entsteht die Zusätzliche Gebühr der Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 1 zu Nr. 4141 VV.[1] Diese Gebühr entsteht im vorbereitenden Verfahren, nicht etwa im gerichtlichen Verfahren, da dieses ja durch die Rücknahme der Anklage bereits beendet ist.

 

Beispiel

Der Anwalt verteidigt im vorbereitenden Verfahren. Es kommt zur Anklage, die später von der Staatsanwaltschaft wieder zurückgenommen wird. Die Staatsanwaltschaft stellt anschließend das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO ein.

Abzurechnen ist ausgehend von den Mittelgebühren wie folgt:

I. Vorbereitendes Verfahren

 
1. Grundgebühr, Nr. 4100 VV   200,00 EUR
2. Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV   165,00 EUR
3. Zusätzliche Gebühr, Nrn. 4141, 4106 VV   165,00 EUR
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 550,00 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   104,50 EUR
Gesamt   654,50 EUR

II. Erstinstanzliches gerichtliches Verfahren

 
1. Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV   165,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 185,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   35,15 EUR
Gesamt   220,15 EUR
 

Beispiel

Der Anwalt wird erst nach Erhebung der Anklage mit der Verteidigung beauftragt. Später wird die Anklage von der Staatsanwaltschaft wieder zurückgenommen und das Verfahren anschließend nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

Durch die Zurückversetzung entsteht jetzt im vorbereitenden Verfahren die Gebühr der Nr. 4104 VV. Im Ergebnis erhält der Anwalt ausgehend von den Mittelgebühren letztlich dieselben Gebühren:

I. Erstinstanzliches gerichtliches Verfahren

 
1. Grundgebühr, Nr. 4100 VV   200,00 EUR
2. Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV   165,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 385,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008   73,15 EUR
Gesamt   458,15 EUR

II. Vorbereitendes Verfahren

 
1. Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV   165,00 EUR
2. Zusätzliche Gebühr, Nrn. 4141, 4106 VV   165,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 350,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   66,50 EUR
Gesamt   416,50 EUR

Wird das Verfahren nicht eingestellt, sondern erneut Anklage erhoben, so liegt damit eine neue Angelegenheit vor. Das ursprüngliche gerichtliche Verfahren, in dem die Anklage zurückgenommen worden ist, und das Verfahren nach erneuter Anklage sind zwei verschiedene Angelegenheiten i.S.d. § 15 RVG, so dass die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens erneut entsteht. Es handelt sich nicht um die Fortsetzung des ursprünglichen Verfahrens. Es verhält sich hier ebenso wie in zivilrechtlichen Verfahren: Wird eine Klage zurückgenommen und dann später von Neuem erhoben, liegen zwei verschiedene Angelegenheiten vor. In Strafsachen gilt nichts Anderes. Die Rechtsprechung nimmt dagegen nur eine Angelegenheit an.[2]

 

Beispiel

Der Anwalt verteidigt im vorbereitenden Verfahren. Es kommt zur Anklage (Az. 1/16), die später von der Staatsanwaltschaft wieder zurückgenommen wird. Die Staatsanwaltschaft erhebt anschließend erneut Anklage (Az. 2/16). Dort wird die Hauptverhandlung durchgeführt.

Ausgehend von den Mittelgebühren ist wie folgt zu rechnen:

I. Vorbereitendes Verfahren

 
1. Grundgebühr, Nr. 4100 VV   200,00 EUR
2. Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV   165,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 385,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   73,15 EUR
Gesamt   458,15 EUR

II. Erstinstanzliches gerichtliches Verfahren (1/16)

 
1. Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV   165,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 185,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   35,15 EUR
Gesamt   220,15 EUR

III. Erstinstanzliches gerichtliches Verfahren (2/16)

 
1. Verfahrensgebühr, Nr. 4106 VV   165,00 EUR
2. Terminsgebühr, Nr. 4108 VV   275,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 460,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   87,40 EUR
Gesamt   547,40 EUR

Ebenso ist zu rechnen, wenn das gerichtliche Verfahren nicht durch Erhebung der Anklage eingeleitet worden ist, sondern durch einen Antrag auf Erlass eines Strafbefehls und die Staatsanwaltschaft den Antrag auf Erlass des Strafbefehls zurückgenommen hat. Auch hier entsteht keine Zusätzliche Gebühr im gerichtlichen Verfahren. Das Verfahren wird auch hier vielmehr in das vorbereitende Verfahren zurückversetzt. Auch hier kann die Staatsanwaltschaft jederzeit erneut den Antrag au...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge