Die Entscheidung ist zutreffend.

Es gehört zu den anwaltlichen Pflichten, die Streitwertfestsetzung zu prüfen und den Auftraggeber über mögliche Rechtsbehelfe und Rechtsmittel gegen eine unzutreffende Wertfestsetzung zu belehren. Verstößt der Anwalt hiergegen, dann macht er sich schadensersatzpflichtig. Dies bedeutet, dass er seine eigene Vergütung nur nach dem geringeren zutreffenden Wert verlangen kann und darüber hinaus Schadensersatz leisten muss, soweit der Mandant an Gericht und Gegner zu hohe Kosten zahlen muss.

Ob der Anwalt auch verpflichtet ist, die Streitwertbeschwerde einzulegen, halte ich dagegen für zweifelhaft. Häufig kommt es vor, dass insoweit eine Interessenkollision auftritt. Man denke an den Fall, dass die Wertfestsetzung strittig ist und sowohl für einen höheren als auch für einen niedrigeren Wert Rspr. herangezogen werden kann. In diesem Fall würde der Anwalt letztlich gezwungen, gegen eigene Interessen tätig zu werden. Das wird man von ihm nicht verlangen können. Abgesehen davon wird ein Auftraggeber wohl auch kaum Vertrauen in einen Anwalt haben, der eine Beschwerde gegen seine eigene Rechtsauffassung und gegen seine eigenen finanziellen Interessen führen soll.

Es besteht aber auch kein Bedürfnis dafür, dass der Anwalt die Beschwerde selbst einlegt. Für die Streitwertbeschwerde besteht kein Anwaltszwang. Die Partei kann daher die Streitwertbeschwerde selbst führen. Sie kann auch einen anderen Anwalt damit beauftragen. Mehrkosten entstehen dadurch nicht, da die Streitwertbeschwerde nicht durch die Gebühren des Ausgangsverfahrens abgegolten ist (siehe § 18 Abs. 1 Nr. 3 RVG), sondern auch für den Prozessbevollmächtigten eine gesonderte Vergütung auslöst.

Zu berücksichtigen ist, dass die Pflicht zur Streitwertbeschwerde bzw. zur Aufklärung darüber auch im Rahmen der Rechtsschutzversicherung zu beachten ist. Dabei mag dahinstehen, ob der Anwalt Repräsentant des Versicherungsnehmers ist, was wohl zu verneinen ist; er muss ungeachtet dessen den rechtsschutzversicherten Mandanten über die Möglichkeit der Streitwertbeschwerde unterrichten. Unterlässt er dies, macht er sich wiederum schadensersatzpflichtig und kann gegenüber dem Rechtsschutzversicherer nur nach den geringeren Beträgen abrechnen und muss gegebenenfalls auch Schadensersatz leisten.[1]

Insoweit ist eine Entscheidung des AG Stuttgart zu beachten. Das AG Stuttgart[2] lässt es ausreichen, dass der Anwalt eine "Erhöhungsbeschwerde" einreicht. Da das Gericht von Amts wegen richtig entscheiden muss und auch auf eine Erhöhungsbeschwerde hin den Wert herabsetzen kann, scheidet eine Vertragsverletzung des Anwalts aus, wenn er überhaupt Beschwerde einlegt, da sich dann das Beschwerdegericht mit der Sach- und Rechtslage von Amts wegen befassen muss.

Einen Schönheitsfehler hat die Entscheidung des OLG Hamm allerdings. Hätte der Anwalt gegen die Wertfestsetzung Beschwerde eingelegt, dann hätte er hierfür eine 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 VV erhalten.

Der Gegenstandswert hätte sich nach § 23 Abs. 2 RVG auf das Interesse der Partei bezogen, also auf die Differenz der Anwalts- und Gerichtskosten nach dem festgesetzten Wert und dem zutreffenden Wert. Diese fiktive Vergütung hätte daher im Wege des Vorteilsausgleichs berücksichtigt werden müssen.

Norbert Schneider

[1] AG Hamburg zfs 2000, 360 = BRAGOreport 2001, 145.
[2] Beschl. v. 30.4.2004 – 9 C 414/04, IVH 2004, 126.

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