Die Entscheidung ist in jeder Hinsicht zutreffend.

Die Vergütung des Anwalts für die Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels richtet sich nach den Nrn. 2100 ff. VV. Dem Anwalt darf allerdings noch kein unbedingter Prozessauftrag für das Rechtsmittelverfahren erteilt worden sein (arg e Vorbem. 3 Abs. 1 VV). Anderenfalls wird seine Tätigkeit durch die entsprechende Verfahrensgebühr des Rechtsmittelverfahrens erfasst, die auch eine Prüfung mit abgilt (Vorbem. 3 Abs. 2 VV; § 19 Abs. 1 S. 1 RVG).

Anzuwenden sind die Gebühren auch dann, wenn der Mandant bereits den Auftrag zum Rechtsmittel für den Fall erteilt hatte, dass der Anwalt zu dem Ergebnis komme, es bestehe Aussicht auf Erfolg. Insoweit liegt nur ein bedingter Rechtsmittelauftrag vor, der gem. § 158 Abs. 1 BGB erst mit dem Eintritt der Bedingung (positives Prüfungsergebnis) wirksam wird.[1] Soweit der Anwalt vom Rechtsmittel abrät, kommt mangels Bedingungseintritts der Rechtsmittelauftrag nicht zu Stande, so dass es bei der (anrechnungsfreien) Vergütung nach den Nrn. 2100 ff. VV verbleibt. Kommt der Anwalt dagegen zu einem positiven Prüfungsergebnis, wird der Rechtsmittelauftrag wirksam, so dass hierdurch die Verfahrensgebühr des jeweiligen Rechtsmittels entsteht. Die Prüfungsgebühr ist dann auf die Gebühr des Rechtsmittelverfahrens anzurechnen.

Ob der mit der Prüfung beauftragte Anwalt im vorangegangenen Verfahren bereits als Verfahrensbevollmächtigter beauftragt war, ist – anders als noch in § 20 Abs. 2 BRAGO – unerheblich. Die Gebühren nach den Nrn. 2100 ff. VV können insbesondere auch dann anfallen, wenn die Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels durch den vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten erfolgt.[2] Ebenso ist es unerheblich, zu welchem Prüfungsergebnis der Anwalt gelangt und ob das Rechtsmittel nach der Prüfung eingelegt wird oder nicht.

Die Gebühren hängen davon ab, ob in der Hauptsache nach Gegenstandswert oder nach Betragsrahmen abgerechnet wird.

  Ist nach dem Gegenstandswert abzurechnen (§§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 S. 2 RVG), so gelten die Nrn. 2100, 2101 VV; der Anwalt erhält er eine Gebühr nach Nr. 2100 VV in Höhe von 0,5 bis 1,0 (Mittelgebühr 0,75) und, wenn die Prüfung mit der Ausarbeitung eines schriftlichen Gutachtens verbunden sein soll, in Höhe von 1,3.
  Ist dagegen nach Betragsrahmen abzurechnen (§ 3 Abs. 1 VV; Teil 4 bis 6 VV) – dann gelten die Nrn. 2102, 2103 VV. Der Anwalt erhält eine Gebühr nach Nr. 2102 VV in Höhe von 30,00 EUR bis 320,00 EUR (Mittelgebühr 175,00 EUR) und, wenn die Prüfung mit der Ausarbeitung eines schriftlichen Gutachtens verbunden sein soll, in Höhe von 50,00 EUR bis 550,00 EUR (Mittelgebühr 300,00 EUR)
 

Beispiel 1

Gegen seine erstinstanzliche Verurteilung in Höhe von 20.000,00 EUR will der Beklagte Berufung einlegen und lässt sich beraten, ob diese Aussicht auf Erfolg hat. Der beauftragte Anwalt prüft dies und verneint die Erfolgsaussicht, so dass der Beklagte von einer Berufung Abstand nimmt.

Der Anwalt erhält folgende Vergütung:

 
1. 0,75-Prüfungsgebühr, Nr. 2100 VV   556,50 EUR
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 576,50 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   109,54 EUR
  Gesamt 686,04 EUR  

Wird der Anwalt anschließend mit der Vertretung im Rechtsmittelverfahren beauftragt, ist die Prüfungsgebühr nach Anm. zu Nr. 2100 VV, Anm. zu Nr. 2102 VV auf die Verfahrensgebühr des nachfolgenden Rechtsstreits anzurechnen.

Wird der Anwalt nach der Prüfung lediglich beauftragt, teilweise Rechtsmittel einzulegen, etwa, weil er nur teilweise zum Rechtsmittel rät und im Übrigen abrät, so findet bei Wertgebühren analog Vorbem. 3 Abs. 4 S. 3 VV eine Anrechnung nur nach dem entsprechenden Wert statt.

Norbert Schneider

AGS 7/2016, S. 367 - III

[1] LG Köln AGS 2012, 385 = NJW-Spezial 2012, 571 = NJW-RR 2012, 1471.
[2] OLG Düsseldorf AGS 2006, 482 = JurBüro 2006, 635 = OLGR 2007, 294 = RVGreport 2007, 67; LG Berlin AGS 2006, 73; AnwK-RVG/N. Schneider, 7. Aufl., 2014, Nr. 2100 VV-RVG Rn 6; aA KG, BeckRS 2006, 19145).

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