Zu Unrecht hat der Rechtspfleger des LG der Beklagten und ihrer Streithelferin lediglich einen Kostenerstattungsanspruch gegen die Klägerin in Höhe einer 1,3-Verfahrensgebühr nebst 0,3-Erhöhungsgebühr, einer 1,2-Terminsgebühr und Auslagenpauschale zuerkannt. Vielmehr stehen der Beklagten sowie der Streithelferin jeweils die vollen Rechtsanwaltsgebühren zu, weil es sich bei ihrer Vertretung durch den gleichen Prozessbevollmächtigten für diesen nicht um dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 1 RVG gehandelt hat.

a) Soweit der Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber tätig wird, erhält er die Gebühren nach § 7 Abs. 1 RVG nur einmal und kann gegebenenfalls die Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV fordern.

Ob von einer oder mehreren Angelegenheiten auszugehen ist, lässt sich nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände beantworten, wobei insbesondere der Inhalt des erteilten Auftrags maßgeblich ist. Dieselbe Angelegenheit liegt in der Regel vor, wenn zwischen ihnen ein inhaltlicher Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann. Die Annahme einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinn setzt nicht voraus, dass der Anwalt nur eine Prüfungsaufgabe zu erfüllen hat. Von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit kann vielmehr grundsätzlich auch dann noch gesprochen werden, wenn der Anwalt zur Wahrnehmung des Rechts des Geschädigten verschiedene, in ihren Voraussetzungen voneinander abweichende Anspruchsgrundlagen zu prüfen bzw. mehrere getrennte Prüfungsaufgaben zu erfüllen hat. Denn unter einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne ist das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll. Ihr Inhalt bestimmt den Rahmen, innerhalb dessen der Rechtsanwalt tätig wird. Die Angelegenheit ist von dem Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit abzugrenzen, der das konkrete Recht oder Rechtsverhältnis bezeichnet, auf das sich die anwaltliche Tätigkeit bezieht. Eine Angelegenheit kann mehrere Gegenstände umfassen. Für die Annahme eines einheitlichen Rahmens der anwaltlichen Tätigkeit ist es grundsätzlich ausreichend, wenn die verschiedenen Gegenstände in dem Sinne einheitlich vom Anwalt bearbeitet werden können, dass sie verfahrensrechtlich zusammengefasst bzw. in einem einheitlichen Vorgehen geltend gemacht werden können. Ein innerer Zusammenhang ist zu bejahen, wenn die verschiedenen Gegenstände bei objektiver Betrachtung und unter Berücksichtigung des mit der anwaltlichen Tätigkeit nach dem Inhalt des Auftrags erstrebten Erfolgs zusammen gehören (vgl. BGH MDR 2011, 949). Der Annahme einer Angelegenheit steht z.B. nicht entgegen, dass der Anwalt mehrere Geschädigte vertreten soll. Ein einheitlicher Auftrag kann nämlich auch dann vorliegen, wenn der Anwalt von mehreren Mandanten beauftragt wird, selbst wenn dies zeitlich versetzt geschieht (vgl. BGH NJW 2014, 2126 [= AGS 2014, 263]).

Nach diesen Grundsätzen kann vorliegend nicht von einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne ausgegangen werden. Im Ausgangsfall hat die Klägerin die Beklagte als Trägerin einer Klinik im X auf Schadensersatz und Schmerzensgeld nach einer Rehabilitationsbehandlung in der Zeit vom 5.5.bis zum 26.5.2009 sowie auf Korrektur des Rehabilitationsabschlussberichtes in Anspruch genommen. Zugleich mit der Klage hat sie der Streithelferin den Streit verkündet, weil bei fehlender Haftung der Beklagten eine Haftung der Streithelferin, in deren Krankenhaus die Klägerin in der Zeit vom 24.4.bis zum 5.5.2009 behandelt worden war, in Betracht komme, weil diese die fehlende Rehabilitationsfähigkeit und fehlende Belastbarkeit der Klägerin unter Berücksichtigung der in ihrem Haus erfolgten Heilbehandlung und gestellten Diagnosen hätte erkennen können. Bei dieser Sachlage kann nicht von einem einheitlichen, von dem Anwalt zu prüfenden Lebenssachverhalt ausgegangen werden, weil die Inanspruchnahme der Beklagten einerseits und die der Streithelferin andererseits jeweils auf unterschiedlichen Schädigungsvorwürfen, die sowohl inhaltlich als auch zeitlich-örtlich auseinanderfielen, fußte. Damit kann der für die Annahme einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne erforderliche inhaltliche Zusammenhang nicht festgestellt werden. Mit seiner Vertretung der Beklagten einerseits und der Streithelferin andererseits ist der Prozessbevollmächtigte damit – obwohl im gleichen Verfahren – in unterschiedlichen Angelegenheiten tätig geworden. Danach waren die Gebühren jeweils getrennt in voller Höhe – wie angemeldet – zuzuerkennen.

AGS 7/2015, S. 322 - 323

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