Leitsatz

  1. Für die Frage, ob nach § 121 Abs. 3 ZPO ein nicht im Bezirk des "Prozessgerichts" niedergelassener Rechtsanwalt ohne Einschränkung beigeordnet werden kann, ist ein Vergleich zwischen den Kosten, die dem auswärtigen Rechtsanwalt entstehen würden, mit denjenigen Kosten, die entstehen, wenn die Kanzlei des Anwalts an dem am weitesten vom Verfahrensgericht entfernten Ort im Bezirk des Instanzgerichts gelegen wäre, vorzunehmen.
  2. Übersteigen die zusätzlichen Reisekosten die sonst gegebenen Kosten und liegen auch nicht die Voraussetzungen vor, unter denen dem Bedürftigen neben einem Rechtsanwalt mit Sitz im Bezirk des Verfahrensgerichts zusätzlich ein Verkehrsanwalt an seinem Wohnort gem. § 121 Abs. 4 ZPO beigeordnet werden müsste, kann die Beiordnung des auswärtigen Anwaltes nur zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Rechtsanwalts erfolgen (BGH, Beschl. v. 10.10.2006 – XI ZB 1/06, NJW 2006, 3783).
  3. Liegen aber die Voraussetzungen nach § 121 Abs. 4 ZPO vor, kann die Beiordnung des auswärtigen, am Wohnort des Antragstellers ansässigen Rechtsanwalts mit der Maßgabe erfolgen, dass die entstehenden Mehrkosten (Reisekosten) nur bis zur Höhe der Vergütung eines (zusätzlichen) Verkehrsanwalts erstattungsfähig sind.
  4. Sofern die vom Antragsteller dem Hauptbevollmächtigten erteilte Vollmacht die Beauftragung eines Terminsvertreters bzw. Unterbevollmächtigten umfasst, kommt in diesen Fällen auch die Beiordnung eines Unterbevollmächtigten in Betracht (Anschluss BGH v. 23.6.2004 – ZB 61/04, FamRZ 2004, 1362; a.A. OLG Celle v. 1.3.2012 – 10 WF 21/12, FamRZ 2012, 1321 u.a.).
  5. § 121 Abs. 4 ZPO ist dann zwar als Vergleichsmaßstab heranzuziehen; die Beiordnung eines Unterbevollmächtigten vor Ort neben dem Hauptbevollmächtigten beruht aber weder auf § 121 Abs. 4 ZPO noch wird sie durch diese Vorschrift ausgeschlossen.

OLG Frankfurt, Beschl. v. 18.11.2015 – 6 WF 185/15

1 Sachverhalt

Auf seinen Antrag hin wurde dem in … lebenden Antragsteller Verfahrenskostenhilfe für seinen Ehescheidungsantrag nebst den Folgesachen Versorgungsausgleich und Sorgerecht bewilligt und ihm antragsgemäß Rechtsanwalt Y beigeordnet. Die Beiordnung erfolgte jedoch mit der Maßgabe, "dass die Mehrkosten, die dadurch entstehen, dass die beigeordnete Rechtsanwältin bzw. der beigeordnete Rechtsanwalt die Kanzlei nicht im Bezirk des Verfahrensgerichts hat, nur bis zur Höhe der Vergütung eines Verkehrsanwaltes am Wohnort des Verfahrenskostenhilfe begehrenden Beteiligten erstattungsfähig sind". Die dem (Haupt-)Bevollmächtigten vom Antragsteller erteilte Vollmacht, die sich bei den Akten befindet, enthält u.a. die Befugnis, "die Vollmacht ganz oder teilweise auf andere zu übertragen (Untervollmacht)." Bereits mit Schriftsatz des Rechtsanwalts X vom 9.6.2015 zeigte dieser an, den Termin "für den Antragsteller und Bevollmächtigten, Rechtsanwalt Y wahrzunehmen" und bat um "entsprechende Beiordnung".

Im Termin zur mündlichen Verhandlung über die Ehescheidung und die Folgesachen erschien Rechtsanwalt X sodann in Untervollmacht und beantragte nunmehr seine Beiordnung als "Korrespondenzanwalt" für den Antragsteller, die das Gericht mit dem angefochtenen Beschluss zurückwies.

In der hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde stellte der Antragsteller sein Beiordnungsgesuch wieder richtig und beantragte die Beiordnung von Rechtsanwalt X als "Terminsvertreter", hilfsweise dessen Beiordnung als Hauptbevollmächtigten sowie die Beiordnung seines bisherigen Hauptbevollmächtigen Rechtsanwalt Y als Verkehrsanwalt.

Die Beschwerde hatte Erfolg.

2 Aus den Gründen

Gem. § 121 Abs. 3 ZPO kann ein nicht in dem Bezirk des "Prozessgerichts" niedergelassener Rechtsanwalt nur dann beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten – das Gesetz meint insoweit hier die Reisekosten des Rechtsanwalts nach § 46 RVG – nicht entstehen. Vorzunehmen ist demnach ein Vergleich zwischen den Kosten, die dem auswärtigen Rechtsanwalt entstehen würden, mit denjenigen Kosten, die entstehen, wenn die Kanzlei des Anwalts an dem am weitesten vom Verfahrensgericht entfernten Ort im Bezirk des Instanzgerichts gelegen wäre (Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 7. Aufl., Rn 573, 676 f.; Senat, Beschl. v. 17.12.2013 – 6 WF 222/13; OLG Frankfurt FamRZ 2009, 1615). Übersteigen danach die zusätzlichen Reisekosten die sonst gegebenen Kosten, kann die Beiordnung des auswärtigen Anwaltes nur "zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Rechtsanwalts" erfolgen. Dies gilt jedoch nicht, wenn dem Bedürftigen im Falle einer Beauftragung eines Rechtsanwalts mit Sitz im Bezirk des Verfahrensgerichts zusätzlich ein Verkehrsanwalt mit Sitz an seinem Wohnort gem. § 121 Abs. 4 ZPO beigeordnet werden müsste, was dann der Fall ist, wenn besondere Umstände dies erfordern. Dieses Erfordernis ist regelmäßig dann gegeben, wenn eine große Entfernung zum Gerichtsort vorliegt (OLG Karlsruhe FamRZ 2013, 1596) oder bei Kindschaftssachen (OLG Dresden FamRZ 2008, 164). Da vorliegend beide Umstände gre...

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