RVG VV Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104; FamFG § 113 Abs. 1 S. 2; ZPO § 307

Leitsatz

  1. Das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist ein Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung.
  2. Die Terminsgebühr entsteht im Verfahren der einstweiligen Anordnung auch dann, wenn das Gericht durch Anerkenntnisbeschluss ohne mündliche Verhandlung entschieden wird.

OLG Brandenburg, Beschl. v. 29.3.2017 – 15 WF 40/17

1 Sachverhalt

Die Antragstellerin hatte den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, den Antragsgegner zur Zahlung von Trennungsunterhalt zu verpflichten, beantragt. Nachdem das FamG Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt hatte, hat der Antragsgegner den Unterhaltsantrag anerkannt. Das FamG hat daraufhin den Verhandlungstermin aufgehoben. Mit antragsgemäß ergangenem Anerkenntnisbeschluss hat es dem Antragsgegner die Kosten des einstweiligen Anordnungsverfahrens auferlegt. Den Verfahrenswert hat das AG auf 8.125,00 EUR festgesetzt.

Auf Antrag der Antragstellerin hat der Rechtspfleger gegen den Antragsgegner u.a. eine 1,2 Terminsgebühr i.H.v. 608,40 EUR zuzüglich Umsatzsteuer festgesetzt.

Dagegen hat der Antragsgegner sofortige Beschwerde erhoben, mit der er sich gegen die Festsetzung der Terminsgebühr wendet. In dem einstweiligen Anordnungsverfahren sei gem. § 246 Abs. 2 FamFG eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben und habe tatsächlich auch nicht stattgefunden.

Der Rechtspfleger hat der sofortigen Beschwerde abgeholfen und die Kosten der Antragstellerin ohne Berücksichtigung der Terminsgebühr gegen den Antragsgegner festgesetzt.

Hiergegen richtet sich nunmehr die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde, der der Rechtspfleger nicht abgeholfen und die er dem OLG zur Entscheidung vorgelegt hat.

2 Aus den Gründen

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist gem. §§ 85, 113 Abs. 1 FamFG, 104 Abs. 3, 567 ff. ZPO zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben.

In der Sache hat die sofortige Beschwerde Erfolg.

Zu Recht macht die Antragstellerin die Festsetzung der Terminsgebühr gem. VV Nr. 3104 für das Ausgangsverfahren der einstweiligen Anordnung geltend. Zwar ist in dem Ausgangsverfahren ohne mündliche Verhandlung entschieden worden. Nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 entsteht die Terminsgebühr jedoch auch dann, wenn für das Verfahren mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist und gem. § 307 ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden wird. So liegt der Fall hier.

a) Dass im Ausgangsverfahren gem. § 307 ZPO i.V.m. § 113 Abs. 1 FamFG durch Anerkenntnisbeschluss ohne mündliche Verhandlung entschieden worden ist, ist evident und wird von keinem Beteiligten infrage gestellt.

b) Anders als der Antragsgegner meint, ist auch die weitere Voraussetzung von Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV erfüllt. Bei dem Verfahren der einstweiligen Anordnung gem. §§ 49 ff. FamFG ist die mündliche Verhandlung vorgeschrieben.

Soweit in der Kommentarliteratur (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 22. Aufl., Rn 43; Riedel/Sußbauer/Alhmann, RVG, 10. Aufl., VV Nr. 3104, Rn 8, jeweils auch zu der insoweit vergleichbaren Konstellation im zivilprozessualen Eilverfahren) und Rspr. (OLG Köln, BeckRS 2016, 20660 [= AGS 2017, 70]; OLG München, FamRZ 2006, 220 [= AGS 2005, 486]) die Ansicht vertreten wird, dass es sich bei dem Verfahren der einstweiligen Anordnung nach §§ 49 ff. FamFG wie auch bei den Eilverfahren nach der ZPO um Verfahren handele, für die eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben sei, weil eine Entscheidung in jenen Verfahren zunächst auch ohne mündliche Verhandlung ergehen könne und erst nach deren Erlass auf Antrag (§ 54 Abs. 2 FamFG) bzw. auf Widerspruch (§ 924 Abs. 2 S. 2 ZPO) mündlich zu verhandeln sei, trägt dies weder dem einheitlichen Charakter des familienrechtlichen bzw. zivilrechtlichen Eilverfahrens Rechnung, noch entspricht sie dem Sinn und Zweck von Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV; sie steht auch im Widerspruch zur Rspr. des BGH.

Mit Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV soll erreicht werden, dass der Verfahrensbevollmächtigte, der im Hinblick auf den auch in Familienstreitsachen geltenden Grundsatz der Mündlichkeit (§ 128 Abs. 1 ZPO) erwarten kann, in der mündlichen Verhandlung eine Terminsgebühr zu verdienen, keinen Gebührennachteil erleidet, wenn durch eine andere, in Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV genannte Verfahrensgestaltung auf eine mündliche Verhandlung verzichtet wird (BGH NJW 2008, 668 [= AGS 2007, 610]). Nach der Gesetzesbegründung sollte damit die Regelung des § 35 BRAGO a.F. übernommen werden (vgl. BT-Drucks 15/1971, 212). Dies geschah ersichtlich mit dem Ziel, den bereits durch § 35 BRAGO geschaffenen Gebührenanreiz für die Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens beizubehalten, der letztlich auch der Entlastung der Gerichte dient (Scholz/Kleffmann/Motzer/Thiel, Praxishandbuch Familienrecht, 31. EL, Teil R "Gegenstands- und Verfahrenswerte und Vergütung in Familiensachen", Rn 299). Es entspricht einer effektiven Verfahrensführung, in einem Verfahren, in dem ein Beteiligter eine mündliche Verhandlung und somit da...

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