Leitsatz

  1. Kann in einer Betreuungssache ein Rechtsanwalt, der zum Verfahrenspfleger bestellt worden ist, nach anwaltlichem Gebührenrecht abrechnen, weil die Erforderlichkeit anwaltsspezifischer Tätigkeiten im Bestellungsbeschluss festgestellt wurde oder in dem konkreten Einzelfall die Wahrnehmung anwaltstypischer Aufgaben erforderlich war, bestimmt sich die Höhe seiner Vergütung nach den Vorschriften des RVG.
  2. Ist in diesem Fall der Verfahrenspfleger damit beauftragt, einen vom Betreuer zur betreuungsgerichtlichen Genehmigung vorgelegten Mietvertrag zu überprüfen, bestimmt sich der Geschäftswert für die Berechnung der anwaltlichen Gebühren nach § 23 Abs. 3 S. 1 RVG i.V.m. § 25 Abs. 1 KostO (nunmehr § 99 GNotKG).

BGH, Beschl. v. 25.2.2015 – XII ZB 608/13

1 Sachverhalt

Der Beteiligte zu 1) begehrt als anwaltlicher Verfahrenspfleger der Betroffenen die Festsetzung einer Vergütung nach dem RVG.

Die Betroffene steht seit 2001 unter umfassender Betreuung.

Im März 2011 hat der Beteiligte zu 3) als Betreuer der Betroffenen für Vermögensangelegenheiten einen Antrag auf Genehmigung von drei Mietverträgen gestellt, mit denen Grundstücke, die im Miteigentum der Betroffenen und ihres Ehemannes stehen, an die H. GmbH & Co. KG, an der die Betroffene als Kommanditistin und als Gesellschafterin der Komplementär-GmbH beteiligt ist, vermietet werden sollten. Im Oktober 2011 wurde der Beteiligte zu 1) zum Verfahrenspfleger der Betroffenen mit dem Aufgabenkreis "Vertretung im Betreuungsverfahren" bestellt. Die Berufsmäßigkeit der Führung der Verfahrenspflegschaft wurde festgestellt. Die eingereichten Mietverträge wurden ihm zur Prüfung übersandt. In einer ersten Stellungnahme wies der Beteiligte zu 1) auf die Notwendigkeit der Überprüfung von weiteren Untermietverträgen hin, die von der H. GmbH & Co. KG abgeschlossen werden sollten. Nach weiterem Schriftwechsel mit dem Vermögensbetreuer nahm der Beteiligte zu 1) auch zu den Untermietverträgen Stellung.

Am 30.4.2012 hat der Beteiligte zu 1) die Festsetzung einer Vergütung in Höhe von insgesamt 96.634,90 EUR geltend gemacht. Dabei hat er für die Prüfung der Mietverträge eine 1,8-fache Geschäftsgebühr angesetzt und den Geschäftswert aus den zusammengerechneten Werten der gesamten Mieteinnahmen aller Mietverträge während deren Laufzeiten bestimmt. Nach erfolgter Prüfung der Untermietverträge hat der Beteiligte zu 1) seinen Vergütungsantrag berichtigt und die Festsetzung einer Vergütung in Höhe von 196.008,23 EUR beantragt, wobei er eine 1,8-fache Geschäftsgebühr aus dem Höchstwert von 30.000.000,00 EUR berechnet hat.

Das AG hat nach Einholung eines Gutachtens der Rechtsanwaltskammer den Geschäftswert auf der Grundlage der zu erwartenden Steuerersparnis der Betroffenen auf 2.800.000,00 EUR bemessen und unter Zurückweisung des weitergehenden Antrags die Vergütung des Beteiligten zu 1) auf 18.865,78 EUR festgesetzt. Auf dessen Beschwerde hat das LG die amtsgerichtliche Entscheidung abgeändert und auf der Grundlage eines Geschäftswerts von 6.783.000,00 EUR die Vergütung des Beteiligten zu 1) auf 46.925,03 EUR festgesetzt. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 5) (Justizfiskus), mit der er sich nur noch gegen die Höhe des festgesetzten Geschäftswerts wendet.

2 Aus den Gründen

Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund der Zulassung nach § 70 Abs. 1 FamFG statthaft und konnte von dem Beteiligten zu 5) nach § 10 Abs. 4 S. 2 FamFG ohne Vertretung durch einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden. Sie hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das LG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, grundsätzlich erhalte ein Verfahrenspfleger, der – wie hier – die Verfahrenspflegschaft berufsmäßig geführt habe, gem. § 277 Abs. 2 FamFG neben dem Ersatz seiner Aufwendungen (vgl. § 277 Abs. 1 FamFG) eine Vergütung in entsprechender Anwendung der §§ 1, 2 und 3 Abs. 1 und 2 VBVG. Allerdings sei in der obergerichtlichen Rspr. anerkannt, dass ein zum Verfahrenspfleger bestellter Rechtsanwalt seine Tätigkeit als berufsspezifische Dienstleistung – in entsprechender Anwendung des § 1835 Abs. 3 BGB – dann nach dem Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte abrechnen könne, wenn die zu erbringenden Dienste derart schwierig und bedeutend seien, dass ein Verfahrenspfleger ohne volljuristische Ausbildung vernünftigerweise einen Rechtsanwalt hinzugezogen hätte.

Bei der Prüfung der zum Zwecke der betreuungsgerichtlichen Genehmigung eingereichten (Haupt-)Mietverträge handele es sich um eine rechtsanwaltsspezifische Tätigkeit. Der Verfahrenspfleger habe die Rechtsfolgen und wirtschaftlichen Auswirkungen der in den Verträgen getroffenen Vereinbarungen zwischen der Bruchteilsgemeinschaft der Betroffenen und ihrem Ehemann und der H. GmbH & Co. KG überprüfen und in Relation zu den Interessen der Betroffenen setzen müssen; hierfür seien umfassende Rechtskenntnisse zwingend erforderlich gewesen.

Der Beteiligte zu 1) könne daher für die Überprüfung der Mietverträge eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV verlang...

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