Leitsatz

Auch nach der Einfügung von § 48 Abs. 4 RVG mit seinem heutigen Inhalt durch das Zweite Kostenrechtsmodernisierungsgesetz kann bei der Festsetzung der Vergütung des beigeordneten Rechtsanwalts nur der Teil des Verfahrens zur Ausfüllung der Kriterien aus § 14 Abs. 1 RVG herangezogen werden, für den (Prozesskostenhilfe bewilligt und) der betroffene Anwalt beigeordnet war. Versieht daher der für die Beiordnung zuständige Spruchkörper diese mit einer zeitlichen Begrenzung, so hat es für das Vergütungsfestsetzungsverfahren bei dieser zu verbleiben, ohne dass der für die Festsetzung zuständige Spruchkörper die inhaltliche Berechtigung dieser Begrenzung zu prüfen hätte.

LSG Hessen, Beschl. v. 10.7.2015 – L 2 SF 11/15 E

1 Sachverhalt

Der Kläger und Berufungsbeklagte des Ausgangsverfahrens, den der Erinnerungsführer bereits erstinstanzlich vertreten hatte, wehrte sich gegen die teilweise Aufhebung der Bewilligung und die Erstattung von großer Witwenrente in Höhe von 10.433,12 EUR. Nachdem er erstinstanzlich obsiegt hatte, legte die Beklagte Berufung ein. Daraufhin verfügte der Berichterstatter des zuständigen 5. Senats des Hessischen LSG die Übermittlung der Berufungsschrift an den Erinnerungsführer als Vertreter des Klägers des Ausgangsverfahrens mit der Bitte um Stellungnahme, wobei dieses Schreiben dem Erinnerungsführer nach seinen Angaben nicht zugegangen ist. Der 5. Senat bestimmte sodann, ohne dass zwischenzeitlich Schriftverkehr erfolgt wäre, unter dem 8.1.2015 Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 30.1.2015. Daraufhin meldete sich der Erinnerungsführer mit Schreiben vom 26.1.2015, eingegangen bei Gericht am 27.1.2015, für den Berufungsbeklagten, trat der Berufung entgegen und beantragte Prozesskostenhilfe für den Berufungsbeklagten. Mit Schreiben vom 29.1.2015 übermittelte er die zugehörige Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen einschließlich der notwendigen Unterlagen. Der 5. Senat bewilligte noch am gleichen Tage Prozesskostenhilfe zugunsten des Berufungsbeklagten mit Wirkung ab 29.1.2015 und ordnete diesem den Erinnerungsführer bei. Nach mündlicher Verhandlung hob der 5. Senat das Urteil des SG auf und wies die Klage ab.

Der Erinnerungsführer hat sodann die Festsetzung seiner Vergütung in Höhe von insgesamt 916,30 EUR beantragt, wobei er diesen Betrag wie folgt aufgeschlüsselt hat:

 
Praxis-Beispiel
 
Verfahrensgebühr (Nr. 3204 VV) 370,00 EUR
Terminsgebühr (Nr. 3205 VV) 280,00 EUR
Post- und Telekommunikationspauschale (Nr. 7002 VV) 20,00 EUR
Fahrtkosten (Nr. 7003 VV) 75,00 EUR
Tage- und Abwesenheitsgeld bis vier Stunden (Nr. 7005 VV) 25,00 EUR
Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV) 246,30 EUR
Summe 916,30 EUR

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des LSG hat dem Antrag nur teilweise entsprochen und die Vergütung noch am gleichen Tage auf (lediglich) 618,80 EUR festgesetzt. Zur Begründung hat er insbesondere ausgeführt, der Umfang des Anspruchs bestimme sich gem. § 48 Abs. 1 RVG nach den Beschlüssen, durch die die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden sei. Daher könnten aufgrund der Bewilligung unter Beiordnung des Erinnerungsführers ab 29.1.2015 nur die Kosten anerkannt werden, die im Zusammenhang mit dem Verfahren ab diesem Zeitpunkt angefallen seien. Unter Würdigung der Kriterien des § 14 RVG (insbesondere des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit – aus der Gerichtsakte seien eine Stellungnahme zur Berufungsschrift und das Anschreiben bzgl. der wirtschaftlichen Verhältnisse ersichtlich) sei der Ansatz einer Verfahrensgebühr in Höhe der doppelten Mindestgebühr (120,00 EUR) als rechtmäßig anzusehen.

Hiergegen hat der Erinnerungsführer Erinnerung eingelegt; der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat ihr nicht abgeholfen.

Zur Begründung macht der Erinnerungsführer im Wesentlichen geltend, bei Festlegung der Verfahrensgebühr habe das Gericht weder den atypischen Verfahrensverlauf noch die Kriterien des § 14 RVG gewürdigt. Wie sich aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung ergebe, habe er erst im Dezember 2014 von dem Berufungsverfahren überhaupt Kenntnis erlangt. Eine Berufungsschrift sei ihm nie offiziell zugestellt worden. Erst mit der Zustellung der Terminsladung habe er reagieren können. Es könne nicht zu seinen Lasten und damit seiner Vergütung gehen, dass das Gericht selbst fehlerhaft arbeite. Er habe zwar im Termin auf einen Schriftsatznachlass verzichtet, dies aber im Hinblick darauf, das Verfahren nicht noch weiter in die Länge zu ziehen. Dies bedeute jedoch nicht umgekehrt, dass er das Verfahren für seinen Mandanten nicht betrieben habe. Zudem falle die Verfahrensgebühr schon dann an, wenn der beigeordnete Rechtsanwalt das Verfahren betreibe, d.h. den Sachverhalt ernsthaft bearbeite. Nach § 14 RVG habe der Rechtsanwalt im Übrigen einen Ermessensspielraum, der nur dann beschränkt sei, wenn die angesetzte Gebühr unbillig erscheine, wobei dem Anwalt ein Ermessensspielraum von 20 bis 30 % zuzubilligen sei. Der Ansatz der Mittelgebühr sei nur dann unbillig, ...

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