I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Zwischen den Parteien sei ein Anwaltsvertrag dadurch zustande gekommen, dass der Beklagte mit der Rücksendung der unterzeichneten Vollmacht der Klägerin ein Angebot auf Mandatsübernahme abgegeben habe, das diese durch Aufnahme der Anwaltstätigkeit angenommen habe. Der Beklagte habe diesen Vertrag jedoch wirksam nach §§ 312b, 312d Abs. 1 S. 1, § 355 BGB in der bis zum 12.6.2014 geltenden Fassung (fortan: a.F.) widerrufen, weil es sich um ein widerrufliches Fernabsatzgeschäft handle und die Klägerin nicht dargelegt habe, dass kein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem bestehe.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

1. Das Berufungsgericht hat in tatrichterlicher Würdigung angenommen, zwischen den Parteien sei durch das im Übersenden des ausgefüllten Vollmachtsformulars per Telefax liegende Angebot und die konkludent nach § 151 S. 1 BGB durch Aufnahme der anwaltlichen Tätigkeit erklärte Annahme ein Anwaltsvertrag zustande gekommen. Ob dies rechtlicher Nachprüfung standhält, kann dahinstehen. Ein entsprechender Vertragsschluss kann unterstellt werden. Dem geltend gemachten Zahlungsbegehren steht jedenfalls der vom Beklagten erklärte Widerruf nach §§ 312b, 312d Abs. 1 S. 1, § 355 BGB a.F. entgegen.

2. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen eines vom Beklagten ausgeübten Widerrufsrechts mit Recht bejaht hat. Dabei ist nur im Streit, ob der zwischen dem Beklagten als Verbraucher und der Klägerin als Unternehmerin (vgl. EuGH NJW 2015, 1289) geschlossene Anwaltsvertrag ein sogenannter Fernabsatzvertrag ist.

a) Im Streitfall sind nach Art. 229 § 32 Abs. 1 EGBGB die auf die Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.5.1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz – Fernabsatzrichtlinie (ABl Nr. L 144 S. 19; im Folgenden: RL 97/7/EG) zurückgehenden Regelungen zum Fernabsatzrecht die §§ 312b bis 312e und § 355 BGB a.F. anzuwenden. Nach § 312 Abs. 1 S. 1 BGB a.F. sind Verträge über die Erbringung von Dienstleistungen dann Fernabsatzverträge, wenn sie zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen werden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt. Diese Voraussetzungen können auch bei einem Anwaltsvertrag erfüllt sein (vgl. Schneider/Kosmidis, Handbuch EDV-Recht, 5. Aufl., Kapitel B. Rn 99; Rinkler, in: G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 4. Aufl., § 1 Rn 43; Junker, in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl., § 312c Rn 25; Ernst, NJW 2014, 817).

aa) Anwaltsverträge sind Verträge über die Erbringung einer Dienstleistung i.S.v. § 312b Abs. 1 S. 1 BGB a.F. und können als solche den Regeln über Fernabsatzverträge unterworfen sein. Der gegenteiligen Auffassung, wonach die Anwendung des Fernabsatzrechts bei Anwaltsverträgen, bei denen eine persönliche Dienstleistung im Vordergrund stehe, allgemein nicht gerechtfertigt sei (vgl. AG Berlin-Charlottenburg NJW-RR 2016, 184, 185; AG Kleve, Urt. v. 18.5.2017 – 35 C 434/16, juris; a.A. AG Offenbach, Urt. v. 9.10.2013 – 380 C 45/13, juris, m. Anm. Ernst, NJW 2014, 817 und Schmitt-Gaedke, ZAP Fach 23, 977; AG Düsseldorf AnwBl. 2017, 92; AG Brandenburg, 13.10.2017 – 31 C 244/16, juris [= AGS 2017, 595]; AG Hildesheim VuR 2015, 396 m. Anm. Rückebeil), kann nicht gefolgt werden.

(1) Der Begriff der Dienstleistung i.S.d. § 312b Abs. 1 S. 1 BGB a.F. ist mit Blick auf den vom Fernabsatzrecht verfolgten Zweck und die unionsrechtliche Herkunft des Begriffs der Dienstleistungen weit auszulegen (BGH, Urt. v. 7.7.2016 – I ZR 30/15, NJW 2017, 1024 Rn 37 ff). Im Kern geht es um Dienstverträge, die keine Arbeitsverträge sind, um Werk- und Werklieferungsverträge und Geschäftsbesorgungsverhältnisse. Gemeinsames Merkmal ist, dass eine entgeltliche, tätigkeitsbezogene Leistung an den Verbraucher erbracht wird, insbesondere gewerblicher, kaufmännischer, handwerklicher oder freiberuflicher Art (BGH a.a.O. Rn 40 m.w.N.). Hierzu können folglich auch Anwaltsverträge rechnen, die regelmäßig als Dienstleistungsverträge (vgl. BGH, Urt. v. 15.7.2004 – IX ZR 256/03, NJW 2004, 2817) oder – je nach dem Inhalt der übernommenen Leistung – auch als Werkvertrag (vgl. BGH, Urt. v. 20.6.1996 – IX ZR 106/95, NJW 1996, 2929, 2930) einzuordnen sind.

(2) Für die Anwendbarkeit des § 312b Abs. 1 BGB a.F. auf Anwaltsverträge sprechen auch Sinn und Zweck der verbraucherschützenden Regelungen für Vertragsabschlüsse im Fernabsatz. Fernabsatzverträge sind dadurch gekennzeichnet, dass Anbieter und Verbraucher sich nicht physisch begegnen und der Verbraucher die vom Unternehmer angebotene Ware in der Regel nicht vor Vertragsschluss in Augenschein nehmen oder sich Kenntnis von den Eigenschaften der Dienstleistung verschaffen kann (vgl. Erwägungsgrund 14 der RL 97/7/EG). Um der daraus erw...

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