Lange genug hat es gedauert, bis die Frage geklärt war, ob sich die Beiordnung in einer Ehesache bei Abschluss eines Vergleichs über die in § 48 Abs. 3 RVG genannten Gegenstände nur auf die Einigungsgebühr oder auch auf die Verfahrensdifferenz- und Terminsdifferenzgebühr erstreckt. Der Gesetzgeber hat mit dem 2. KostRMoG zum 1.8.2013 klargestellt, dass sich die Beiordnung auf "alle mit der Herbeiführung erforderlichen Tätigkeiten" erstrecke. Grund hierfür war, dass im Gegensatz zu den sonstigen Mehrwertvergleichen die Rspr. zum Teil davon ausging, im Fall des § 48 Abs. 3 RVG – weil ja keine ausdrückliche Beiordnung erfolge – erstrecke sich diese nur auf die Einigungsgebühr.

Wer gedacht hatte, damit sei das Problem gelöst, sieht sich getäuscht. Fast erwartungsgemäß hatten sich einige Gerichte auf den Standpunkt gestellt, wenn in § 48 Abs. 3 RVG die Erstreckung für Verfahrens- und Terminsdifferenzgebühr ausdrücklich in das Gesetz aufgenommen worden sei, dann könne die Erstreckung in anderen Fällen ja nicht gelten. Angefangen damit hat das OLG Dresden (AGS 2014, 347). Das OLG Koblenz (AGS 2014, 348 m. Anm. Thiel) ist ihm gefolgt, siehe hierzu auch das Editorial von Thiel in Heft 12/14. Diese Rechtsprechung breitet sich weiter aus, wie die in diesem Heft veröffentlichten Entscheidungen des OLG Köln (S. 89 in diesem Heft) und für den Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit des OVG Hamburg (S. 90 in diesem Heft) belegen.

Bei ihrem Sparzwang verkennen die Gerichte, dass diese Auffassung nicht nur verfassungswidrig, sondern kontraproduktiv ist.

Worauf das OLG Celle (AGS 2014, 580 m. Anm. Thiel) zu Recht hingewiesen hat: Diese Rechtsprechung führt dazu, dass eine bedürftige Partei keinen Mehrwertvergleich mehr schließen kann. Sie selbst kann die Mehrwerte nicht bezahlen. Die Staatskasse bezahlt den Rechtsanwalt aber auch nicht. Damit wird die von Verfassungs wegen garantierte Gleichstellung vermögender und nicht vermögender Parteien unterlaufen.

Die Rechtsprechung ist aber auch kontraproduktiv, weil der Anwalt nunmehr seinen Mandanten dahingehend beraten muss, dass dieser entweder die Differenzgebühren für den Mehrwert des Vergleichs selbst zahlen muss, was er nicht kann, oder ein neues Verfahren wegen der dem Mehrwert zugrunde liegenden Gegenstände einleiten und hierfür PKH beantragen muss und wenn er sie dann erhält, sich darüber vergleicht.

Dadurch wird dem Gericht nicht nur erhebliche Mehrarbeit entstehen, weil im ersten Verfahren kein Vergleich zustande kommt, sondern das Gericht ein Urteil bzw. einen Beschluss verkünden muss und es dann zusätzlich mit einem weiteren Verfahren befasst wird, das im Ergebnis den Staat ein Vielfaches dessen kostet, was durch den Mehrvergleich verursacht worden wäre.

Insoweit muss man sich vor Augen halten, dass beim Mehrvergleich lediglich geringfügige Differenzen anfallen, wobei bei der Verfahrensgebühr noch die Kürzung nach § 15 Abs. 3 RVG zu berücksichtigen ist.

Abgesehen davon, dass die Gebührensprünge in Prozess- und Verfahrenskostenhilfemandaten ohnehin gering sind, handelt es sich um Mehrkosten, die der Staat der armen Partei nicht gönnt. So betragen die Kosten bei einem Mehrwertvergleich von 5.000,00 EUR in der Regel ca. 50,00 EUR. Werden diese 5.000,00 EUR dann aber gesondert geltend gemacht, liegen allein die Anwaltskosten der bedürftigen Partei bei ca. 1.000,00 EUR.

Soll für eine bedürftige Partei ein Mehrwertvergleich geschlossen werden, dann muss der Anwalt künftig tunlichst darauf achten, dass die Bewilligung ausdrücklich auch auf die Verfahrens- und Terminsdifferenzgebühr aus dem Mehrwert erstreckt wird oder wie es in § 48 Abs. 3 RVG lautet, "auf alle mit der Herbeiführung der Einigung erforderlichen Tätigkeiten". Lehnt das Gericht dies ab, darf der Anwalt keinen Mehrvergleich schließen.

Autor: Norbert Schneider

Norbert Schneider

AGS 2/2015, S. II

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