§ 42 Abs. 1 FamGKG; § 41 Abs. 2 GKG; § 266 FamFG

Leitsatz

  1. In sonstigen Familienstreitsachen sind im Rahmen des Ermessens nach § 42 Abs. 1 FamGKG grundsätzlich auch die Rechtsgedanken des GKG heranzuziehen.
  2. Der Wert eines auf die ehemalige Ehewohnung bezogenen Herausgabeverlangens nach rechtskräftiger Ehescheidung bemisst sich gem. § 42 Abs. 1 FamGKG unter Heranziehung des Rechtsgedankens des § 41 Abs. 2 GKG auf den Jahreswert der zuvor gezahlten Nutzungsentschädigung.

OLG Braunschweig, Beschl. v. 8.11.2023 – 1 WF 127/23

I. Sachverhalt

Die Beteiligten sind seit 2021 rechtskräftig geschiedene Eheleute. Die vormalige Ehewohnung, die im Alleineigentum des Antragstellers steht, wurde nach der Trennung von der Antragsgegnerin bewohnt. In dem daraufhin geführten Wohnungszuweisungsverfahren hatte das FamG durch Beschluss den Herausgabeantrag des Ehemannes zurückgewiesen, jedoch zu seinen Gunsten eine monatliche Nutzungsvergütung von 470,00 EUR festgesetzt. In dem nunmehrigen Verfahren hat der Antragsteller die Räumung und Herausgabe der Wohnung verlangt und zur Begründung vorgetragen, seit Rechtskraft der Scheidung stehe der Antragsgegnerin kein Nutzungsrecht mehr zu. Er habe daher ein gegebenenfalls bestehendes Nutzungsverhältnis gekündigt und die Antragsgegnerin zur Räumung und Übergabe der Immobilie aufgefordert. Hierauf habe die Antragsgegnerin die Zahlung der Nutzungsentschädigung eingestellt, die Immobilie jedoch nicht herausgegeben. Die Antragsgegnerin hat den Herausgabeanspruch schließlich anerkannt. Mit dem daraufhin ergangenen Anerkenntnisbeschluss hat das FamG die Kosten des Verfahrens der Antragsgegnerin auferlegt und den Verfahrenswert auf 320.000,00 EUR festgesetzt. Die Wertfestsetzung hat es dabei auf § 42 Abs. 1 FamGKG gestützt und hierfür den geschätzten Verkehrswert der Immobilie zugrunde gelegt. Dagegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Verfahrenswertbeschwerde, mit der sie eine Herabsetzung des Verfahrenswerts auf den Jahreswert der Nutzungsentschädigung, insgesamt 5.640,00 EUR, begehrt. Das FamG hat der Wertbeschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem OLG zur Entscheidung vorgelegt, das den Verfahrenswert entsprechend abgeändert hat.

II. Wertfestsetzung nach § 41 Abs. 1 FamGKG

1. Festsetzung nach billigem Ermessen

Der Verfahrenswert ist gem. § 42 Abs. 1 FamGKG nach billigem Ermessen zu bestimmen, da das FamGKG keine Wertvorschrift für die Geltendmachung von Herausgabeansprüchen enthält.

2. Verkehrswert ist nicht maßgeblich

Soweit vertreten wird, der Wert müsse sich an dem Verkehrswert der herausverlangten Sache orientieren (vgl. Zöller/Feskorn, ZPO, 34. Aufl., 2022, Anhang FamFG-Verfahrenswerte, Rn 1.27), kann dem in dieser Allgemeinheit nicht zugestimmt werden. Insbesondere dann, wenn es sich um rein zivilrechtliche Ansprüche handelt, die nur wegen der persönlichen Beziehung der Beteiligten untereinander – in diesem Falle als geschiedene Eheleute – gem. § 266 FamFG als sonstige Familienstreitsachen dem FamG zugewiesen sind, sind für den Gebührenstreitwert auch die Rechtsgedanken der Regelungen des GKG heranzuziehen. Denn es widerspricht billigem Ermessen, wenn Beteiligte, die miteinander verheiratet sind oder waren, bzw. in einem weiteren in § 266 FamFG bezeichneten Verhältnis zueinander stehen, erheblich höheren Gerichts- und Anwaltskosten ausgesetzt sind, als Parteien eines zivilrechtlichen Rechtsstreits in einer vergleichbaren Situation. So liegt der Fall hier.

3. Gedanke des § 42 Abs. 1 GKG ist zu berücksichtigen

Für eine vergleichbare Räumungsklage vor dem Zivilgericht bemisst sich der Streitwert nach § 41 Abs. 2 GKG. Danach ist, wenn wegen der Beendigung eines Miet-, Pacht o. ä. Nutzungsverhältnisses die Räumung eines Grundstücks oder Gebäudes verlangt wird, ohne Rücksicht darauf, ob das Bestehen des Nutzungsverhältnisses im Streit steht, das für die Dauer eines Jahres zu zahlende Entgelt maßgebend. Dies gilt gem. § 41 Abs. 2 S. 2 GKG auch dann, wenn die Räumung oder Herausgabe auch aus einem anderen Rechtsgrund verlangt wird. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, da der Antragsteller die Räumung und Herausgabe der Ehewohnung auf den Wegfall des durch den Beschluss des FamG begründeten Nutzungsrechts sowie auf sein Eigentum stützt.

III. Bedeutung für die Praxis

1. Herausgabeantrag ist Familienstreitsache

Verlangt der ehemalige Ehegatte als Alleineigentümer nach der Scheidung die Herausgabe der vormaligen Ehewohnung gem. § 985 BGB, handelt es sich nicht um eine Ehewohnungssache nach § 200 FamFG, sondern um eine sonstige Familienstreitsache nach § 266 Abs. 1 FamFG. Ehewohnungssachen sind nur Verfahren über Ansprüche auf Überlassung der Ehewohnung nach § 1361b Abs. 1 BGB oder nach § 1568a BGB sowie Verfahren auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung für die Zeit der Trennung (§ 1361b Abs. 3 S. 2 BGB), nicht jedoch Verfahren über die Herausgabe der vormaligen Ehewohnung aufgrund Eigentums nach § 985 BGB.

2. Abzustellen ist auf § 42 FamGKG

Daher greift auch nicht die Wertvorschrift des § 48 Abs. 1 FamGKG. Vielmehr ist mangels einer besonderen Wertvorschrift auf die Auffangvorschrift des § 42 Fa...

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