1. Richtig entschieden

Es hat lange gedauert, bis von der falschen Entscheidung des AG Amberg (AGS 2022, 506) über die ebenso falsche Beschwerdeentscheidung des LG Amberg (vgl. AGS 2023, 116) nun endlich das OLG Nürnberg einen Schlussstrich gezogen und die richtige Entscheidung getroffen hat. Mit dieser OLG-Entscheidung liegt dann (endlich) die erste obergerichtliche Entscheidung zu der Problematik vor. Bisher hatten nur das LG Kaiserslautern (RVGreport 2019, 135 = JurBüro 2019, 245) und das AG Osnabrück (AGS 2021, 548 = RVGprof. 2022, 18) zutreffend, also wie das OLG, entschieden.

Man fragt sich allerdings, warum in der Frage überhaupt der Weg zum OLG erforderlich war und ob nicht AG, LG und die beteiligten Vertreter der Staatskasse auch ohne Nachhilfe aus Nürnberg auf die richtige Lösung kommen können. Oder anders: Warum meint man eigentlich, dass man den Rechtsanwalt zunächst als Pflichtverteidiger in Anspruch nehmen kann, dann die Bestellung aufhebt und dem "geschassten Pflichtverteidiger" dann sagt: "War ja schön, dass du zur Verfügung gestanden hast, aber Gebühren bekommst du nicht." Also: Außer Spesen nichts gewesen. Dass das nicht richtig sein kann, liegt m.E. auf der Hand. Das folgt i.Ü. nicht nur aus der erweiternden Auslegung des § 142 Abs. 7 StPO, die das OLG vornimmt, sondern auch aus dem Gebührenrecht, nämlich aus § 15 Abs. 4 RVG und dem daraus abzuleitenden Grundsatz, dass einmal entstandene Gebühren durch nachträgliche Änderungen/Ereignisse im Verfahren nicht wieder wegfallen. Und Gebühren waren hier beim Pflichtverteidiger schon durch die Akteneinsicht entstanden, nämlich die Gebühren Nrn. 4100, 4104 VV. Der Entstehungszeitpunkt lag zwar vor der Bestellung, die Tätigkeiten werden dem Pflichtverteidiger aber über § 48 Abs. 6 S. 1 RVG vergütet. Auch insoweit hat das OLG Recht. Daher kommt es, was ebenfalls zutreffend ist, auf die Frage, ob der Rechtsanwalt nach seiner Bestellung noch tätig geworden ist, nicht an. I.Ü. war der Rechtsanwalt aber auch noch tätig geworden. Denn er hatte zumindest den Bestellungsbeschluss des AG entgegen und im Zweifel auch im Beschwerdeverfahren Stellung genommen. Das reicht(e) für die Gebühren Nrn. 4100, 4104 VV.

2. Zusätzliche Verfahrensgebühr

Eine kleine Anmerkung zur festgesetzten zusätzlichen Verfahrensgebühr nach Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 1 zu Nr. 4141 VV. Deren Festsetzung erscheint überraschend. Aber das nur auf den ersten Blick. Denn das OLG hat – stillschweigend – darauf abgestellt, dass der Pflichtverteidiger hier einen begründeten Einstellungsantrag gestellt hatte, was für das Entstehen der zusätzlichen Verfahrensgebühr ausreicht (LG Potsdam JurBüro 2013, 189 = RVGreport 2013, 275 = AGS 2013, 280 [für Bußgeldverfahren]; AnwK-RVG/N. Schneider, 9. Aufl., 2021, VV 4141 Rn 30 ff.; Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Nr. 4141 VV Rn 14 f.).

Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

AGS 12/2023, S. 553 - 554

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