Das FamG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Frage, ob sich die Beiordnung in einer Ehesache auch auf die Einigung über die in § 48 Abs. 3 RVG genannten Gegenstände in einen außergerichtlichen Vergleich erstreckt, streitig ist (vgl. Schlünder, in: Schlünder/Nickel, Das familiengerichtliche Verfahren, 2. Aufl., 2018, C Rn 1077, BeckOK RVG/K. Sommerfeldt/M. Sommerfeldt, Stand: 1.3.2023, § 48 Rn 102).

Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber (noch) keine klarstellende Regelung getroffen hat, kann nicht geschlossen werden, dass sich die Beiordnung nur auf Vergleiche erstreckt, die im gerichtlichen Verfahren geschlossen worden sind. Der Senat schließt sich der Argumentation des AG insoweit nicht an. Der Gesetzgeber hat sich weder in die eine noch in die andere Richtung geäußert. Die streitige Frage war nicht Gegenstand der Kostenrechtsänderungsgesetze. Gegenstand des Gesetzgebungsverfahrens war sowohl hinsichtlich der Änderungen durch das 2. KostRMoG als auch durch das KostRÄG 2021 lediglich die seinerzeit streitige Frage, ob dem beigeordneten Anwalt neben der Einigungsgebühr auch die durch den Abschluss des Vergleichs entstandenen Differenzverfahrens- und Differenztermingebühren zu erstatten sind, wenn ein Vergleich in einer nicht anhängigen Sache geschlossen wird, auf den sich entweder die Beiordnung nach § 48 Abs. 3 RVG erstreckt oder auf den die Beiordnung nach § 48 Abs. 1 RVG erstreckt worden ist. Der Gesetzgeber hat insoweit entschieden, dass der Anspruch bei Abschluss eines Mehrvergleichs nach § 48 Abs. 3 RVG sämtliche Gebühren umfasst (s. BT-Drucks. 17/11471, 270 zu Artikel 8 Nr. 25 Buchstabe b zum 2. KostRMoG), und in Absatz 3 deshalb klarstellend aufgenommen, dass sich die Beiordnung in der Ehesache "auf alle mit der Herbeiführung der Einigung erforderlichen Tätigkeiten" erstreckt, soweit der Vertrag die im Einzelnen aufgezählten weiteren Gegenstände betrifft. Da diese Regelung zum Teil dahingehend verstanden wurde, dass dies nur für die im Rahmen einer Ehesache geschlossenen Mehrvergleiche, nicht aber für den Abschluss eines Mehrvergleichs in sonstigen Familienverfahren geltend sollte, hat der Gesetzgeber im Anschluss an die Entscheidung des BGH v. 17.1.2018 (XII ZB 248/16) mit dem KostRÄG 2021 eine entsprechende Klarstellung für andere als Ehesachen in Absatz 1 des § 48 RVG dahingehend aufgenommen, dass "der Anspruch alle gesetzlichen Gebühren und Auslagen, die durch die Tätigkeiten entstehen, die zur Herbeiführung der Einigung erforderlich sind" umfasst, wenn Verfahrenskostenhilfe für einen Vergleich in einer nichtanhängigen Sache bewilligt wurde (s. BT-Drucks. 19/23484, 78 ff. zu Artikel 7, Nr. 9 (§ 48 RVG) des KostRÄG 2021).

Hiervon unberührt geblieben ist aber die Streitfrage, ob ein Anspruch auf Erstattung der Kosten nur bei gerichtlich geschlossenen Vergleichen erfolgt.

Der Senat schließt sich der Auffassung an, nach der ein entsprechender Anspruch besteht (so auch OLG Bamberg FamRZ 2021, 1652 f., OLG Rostock FamRZ 2008, 708; Zöller/Feskorn, ZPO, 34. Aufl., 2022, § 76 FamFG Rn 27; BeckOK RVG/K. Sommerfeldt/M. Sommerfeldt, a.a.O., § 48 Rn 102; Hartung, in: Hartung/Schons/Enders, RVG, 3. Aufl., 2017, § 48 Rn 30; Schlünder/Nickel, Das familiengerichtliche Verfahren, 2. Aufl., 2018, C Rn1077; Ebert, in: Mayer/Kroiß, RVG, 8. Aufl., 2021, § 48 Rn 99; anders OLG Karlsruhe FamRZ 2008, 802 ff., OLG Koblenz FamRZ 2016, 659; OLG Koblenz FamRZ 2017, 318 f.).

Eine Ungleichbehandlung des nicht beigeordneten Anwalts im Vergleich zu dem beigeordneten Anwalt, was entsprechend der Stellungnahme der Landeskasse gegen die Erstreckung der Beiordnung spräche, kann der Senat nicht erkennen. Die Entstehung der Gebühren dem Grunde nach ist unabhängig von der Beiordnung. Auch der nicht beigeordnete Anwalt kann von seiner Partei die Einigungsgebühr sowie weiter entstehende Gebühren verlangen, wenn der Auftrag vorzeitig durch die Einbeziehung in den Mehrvergleich beendet worden ist.

Auf der anderen Seite kann auch der Argumentation der Beschwerdeführerin nicht gefolgt werden, dass sich bereits aus dem Umstand, dass das Gesetz in § 48 Abs. 3 RVG den Abschluss eines Vertrags nach Nr. 1000 VV nennt, der Schluss ziehen lasse, es seien ausdrücklich auch außergerichtliche Vergleiche umfasst, denn andernfalls hätte das Gesetz nur Vergleiche nach Nr. 1003 VV benannt, weil diese Bestimmung den Vergleich im gerichtlichen Verfahren betreffe. Auch Mehrvergleiche, die in einer Ehesache nach § 48 Abs. 3 RVG vor Gericht geschlossen werden, sind Einigungen i.S.d. Nr. 1000 VV. Diese differenziert nicht zwischen gerichtlich und außergerichtlich geschlossenen Vergleichen. Nr. 1003 VV betrifft nur die Höhe der Einigungsgebühr, indem bestimmt wird, dass die Gebühr in den Verfahren mit gerichtlicher Anhängigkeit auf 1,0 reduziert wird. Indem in Nr. 1003 VV als Ausnahme davon aber wiederum bestimmt wird, dass die Herabsetzung nicht gilt, "wenn sich die Beiordnung auf einen Vertrag im Sinne der Nr. 1000 erstreckt (§ 48 Abs. 3 RVG)", wird deutlic...

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