§§ 13, 22 ff., 49 RVG; Nr. 4142 VV RVG

Leitsatz

  1. Die Verfahrensgebühr für Tätigkeiten bei der Einziehung wird auch durch eine bloß beratende Tätigkeit des Rechtsanwalts ausgelöst.
  2. Der Gegenstandswert bemisst sich nach dem wirtschaftlichen Interesse der/des Angeklagten auf die Abwehr der Einziehung. Maßgeblich ist der Nominalwert der titulierten Einziehungsforderung.

OLG Dresden, Beschl. v. 26.10.2023 – 3 Ws 66/23

I. Sachverhalt

Die Rechtsanwälte waren in einem Verfahren mit dem Vorwurf des schweren Bandendiebstahls u.a. tätig. In der vom LG unverändert zugelassenen Anklageschrift hatte die Staatsanwaltschaft u.a. auch beantragt, gem. §§ 73, 73c StGB die Einziehung von Wertersatz i.H.v. 113.800.000,00 EUR gegen die Angeklagten als Gesamtschuldner anzuordnen. Das LG hat das Verfahren über die Einziehung von Wertersatz abgetrennt, i.Ü. aber die Angeklagten zum Teil zu Haftstrafen verurteilt, ein Angeklagter ist freigesprochen worden. Nach Einreichung eines Kostenfestsetzungsantrages durch die Verteidiger des Freigesprochenen hat der Bezirksrevisor beim LG die Festsetzung des Gegenstandswertes für das Einziehungsverfahren beantragt. Das LG hat den Gegenstandswert gem. § 33 RVG auf 113.800.00,00 EUR festgesetzt.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Bezirksrevisors. Er ist der Auffassung, der Gegenstandswert sei zum einen kopfteilig auf die Angeklagten aufzuteilen. Zum anderen sei zu berücksichtigen, dass die Angeklagten wirtschaftlich nicht leistungsfähig seien. Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.

II. Entstehen der zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV

Nach Nr. 4142 VV fällt eine besondere Verfahrensgebühr als Wertgebühr an, wenn der Rechtsanwalt eine auf die Einziehung und verwandte Maßnahmen bezogene gerichtliche oder außergerichtliche Tätigkeit für den Beschuldigten ausübt. Die Verfahrensgebühr werde auch durch eine bloß beratende Tätigkeit des Rechtsanwalts ausgelöst. Erforderlich, aber auch ausreichend für das Entstehen der zusätzlichen Gebühr sei eine nach Aktenlage gebotene Beratung des Mandanten. Das werde immer der Fall sein, wenn Fragen der Einziehung nahe liegen. Es komme weder darauf an, ob der Erlass der Maßnahme rechtlich zulässig sei, noch, ob es an einer gerichtlichen Entscheidung über die Einziehung fehle, noch sei erforderlich, dass die Einziehung ausdrücklich beantragt worden sei. Es genüge, dass sie nach Lage der Sache ernsthaft in Betracht komme (OLG Dresden, Beschl. v. 14.2.2020 – 1 Ws 40/20). Danach hat das OLG hier (inzidenter) das Entstehen einer Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV bejaht.

III. Gegenstandswert

Zum Gegenstandswert führt das OLG aus: Der Gegenstandswert bemesse sich nach dem wirtschaftlichen Interesse der Angeklagten auf die Abwehr der Einziehung. Maßgeblich sei – wie bei Festsetzung der Kosten im Zivilprozess – der Nominalwert der titulierten Einziehungsforderung. Eine Verringerung des Gegenstandswertes wegen fehlender Durchsetzbarkeit des Zahlungsanspruches sei generell weder im Streitwert- noch Kostenfestsetzungsverfahren vorgesehen. Es komme daher nicht darauf an, dass wegen der (vermuteten) Vermögenslosigkeit der Angeklagten erhebliche Zweifel an der Werthaltigkeit der Einziehungsforderung bestehen (vgl. BGH, Beschl. v. 22.5.2019 – 1 StR 471/18, RVGreport 2018, 431 = StRR 9/2019, 28; Beschl. v. 29.6.2020 – 1 StR 1/20).

Für eine Festsetzung des Gegenstandswertes nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines Angeklagten fehle es i.Ü. auch an objektiv nachvollziehbaren, allgemein gültigen Kriterien, was letztlich zu willkürlichen Festlegungen führen würde. Das alleinige Abstellen auf den Gegenstandswert für die Berechnung der Gebühr nach Nr. 4142 VV mag im Einzelfall zu ungerechtfertigt hohen Ansprüchen führen, hier korrigierend einzugreifen bleibt aber dem Gesetzgeber überlassen (so schon BGH NStZ 2007, 341 m. abl. Anm. Burhoff, RVGreport 2007, 313).

Bei der Feststellung des Gegenstandswertes kommt es des Weiteren auch nicht auf die Anzahl der Täter und das wirtschaftliche Interesse jedes einzelnen Täters an der Abwendung der Einziehung an. Das subjektive Interesse des Täters bleibt bei der Bestimmung des objektiven Verkehrswertes einer Sache im Rahmen der Nr. 4142 VV außer Betracht. Deshalb könne bei mehreren Tätern auch nicht der auf einen Täter fallende Anteil an der Beute, bzw. dessen Wert, für die Bestimmung des objektiven Verkehrswertes maßgebend sein (OLG Bamberg JurBüro 2007, 201). Die Angeklagten haften i.Ü. hinsichtlich der Einziehungsforderung auch gesamtschuldnerisch.

IV. Bedeutung für die Praxis

1. Mal wieder – oder besser: noch – eine Entscheidung zur Nr. 4142 VV. Das OLG löst die aufgeworfenen Fragen, bei denen es vor allem um die Höhe des Gegenstandswertes ging, zutreffend auf der Grundlage der dazu vorliegenden Rspr. und Lit. (vgl. die Zusammenstellung bei Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Nr. 4142 VV Rn 29 ff.). Dem ist nichts hinzuzufügen, außer:

2. Bei dem zugrundeliegenden Verfahren dürfte es sich um den Einbruch/den Raub in das/aus dem "Grünen Gewölbe" im Residenzschloss Dresden im Jahr 2019 handeln, bei dem die Beute wertvoller Schmuck entwendet...

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