§§ 43 Abs. 1, 55 Abs. 3, 59 Abs.1 S. 1 FamGKG

Leitsatz

  1. Sinkt der Wert des Beschwerdegegenstands einer Verfahrenswertbeschwerde infolge einer Teilabhilfe auf 200,00 EUR oder darunter, wird die (bis dahin zulässige) Beschwerde unzulässig.
  2. Da § 55 Abs. 3 FamGKG das Ziel verfolgt, dass der Verfahrenswert zutreffend festgesetzt wird, entspricht es in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem eine bei der Wertfestsetzung oftmals auftretende Fragestellung zu entscheiden ist, dem Gesetzeszweck, von der Kann-Vorschrift Gebrauch zu machen. Die Unzulässigkeit der Verfahrenswertbeschwerde steht einer Abänderung von Amts wegen nicht entgegen.
  3. Im Rahmen der Verfahrenswertbemessung nach § 43 FamGKG sind die vom beteiligten Ehegatten bezogenen Sozialleistungen (insgesamt) als Einkommen zu berücksichtigen. Aus welchen Quellen das Einkommen bezogen wird, ist hierfür unerheblich. Ebenso wenig kommt es auf die Verwendung des Geldes an. Es ist deshalb auch der für Unterkunft und Heizung vom Sozialleistungsträger gezahlte Betrag als Einkommen zu berücksichtigen.

OLG Bamberg, Beschl. v. 24.10.2023 – 2 WF 159/23

I. Sachverhalt

Nach Rücknahme des Scheidungsantrages hatte das FamG den Verfahrenswert für die Ehesache auf 4.000,00 EUR und für den Versorgungsausgleich auf 1.000,00 EUR festgesetzt, wobei es jeweils von den gesetzlichen Mindestwerten ausgegangen ist. Das monatliche Nettoeinkommen der Antragstellerin hatte das FamG dabei mit 525,90 EUR und das des Antragsgegners mit 432,00 EUR angenommen. Hiergegen hat der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners Beschwerde eingelegt und vorgebracht, beim Einkommen des Antragsgegners hätten 920,00 EUR aus ALG-II-Leistungen sowie 160,00 EUR aus nichtselbständiger Tätigkeit berücksichtigt werden müssen. Das FamG hat der Beschwerde teilweise abgeholfen und den Verfahrenswert auf 4.359,00 EUR heraufgesetzt. Dabei hat es das Einkommen des Antragsgegners mit dem Regelbedarf des SGB II i.H.v. 432,00 EUR und Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit i.H.v. 160,00 EUR berücksichtigt. Die Übernahme der Miet- und Mietnebenkosten durch das Jobcenter hat es nicht berücksichtigt, da dies kein Einkommen darstellen würde. I.Ü. hat das FamG die Sache dem OLG vorgelegt, das die Beschwerde als unzulässig verworfen, den Verfahrenswert aber von Amts wegen auf 6.263,01 EUR angehoben hat.

II. Unzulässigkeit der Beschwerde

Die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners ist unzulässig.

Zwar ist sie gem. § 59 FamGKG, § 32 Abs. 2 RVG statthaft, da der Rechtsanwalt aus eigenem Recht Rechtsmittel gegen die Festsetzung des Werts mit dem Ziel einer Heraufsetzung einlegen kann.

Allerdings ist in Folge der Teilabhilfe der Beschwerdewert von über 200,00 EUR nicht mehr erreicht (§ 59 Abs. 1 S. 1 FamGKG). Denn die Anwaltsvergütung, die sich bei dem vom Beschwerdeführer angestrebten Verfahrenswert von insgesamt 6.259,00 EUR errechnet, differiert von der Anwaltsvergütung, die sich nach dem vom FamG festgesetzten Verfahrenswert von 4,359,81 EUR ergibt, lediglich um 157,79 EUR.

Wird einer Beschwerde teilweise abgeholfen, so ist der verbleibende Wert des Beschwerdegegenstands zu ermitteln. Sinkt der Wert des Beschwerdegegenstands infolge der Teilabhilfe auf 200,00 EUR oder darunter, wird die Beschwerde unzulässig (Schneider, in: Schneider/Kurpat, Streitwert-Kommentar, 15. Aufl., 2022, Verfahrensrecht, Rn 1_377). Zu dem maßgeblichen Zeitpunkt belief sich die Gebühr bei einem Gegenstandswert bis 5.000,00 EUR auf 303,00 EUR und bei einem Gegenstandswert bis 7.000,00 EUR auf 405,00 EUR. Das ergibt eine Differenz der Anwaltsvergütung bei Anfall einer 1,3-Verfahrensgebühr) einschließlich Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen und Umsatzsteuer von 157,79 EUR.

Daher war die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners als unzulässig zu verwerfen.

III. Abänderung von Amts wegen

Der Senat sieht sich jedoch veranlasst, den vom FamG festgesetzten Verfahrenswert für die erste Instanz gem. § 55 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 FamGKG von Amts wegen zu korrigieren. Danach kann die Festsetzung vom Rechtsmittelgericht von Amts wegen geändert werden, wenn das Verfahren wegen der Entscheidung über den Verfahrenswert in der Rechtsmittelinstanz schwebt.

Zwar wird vertreten, dass bei Unzulässigkeit der Beschwerde über den Verfahrenswert keine Abänderungsbefugnis von Amts wegen für das Beschwerdegericht bestehe, da bei Unzulässigkeit eines Rechtsmittels keine inhaltliche Befassung des Rechtsmittelgerichts mit dem Rechtsmittel stattfinde (vgl. u.a. OLG Braunschweig NJW 2022, 1892 = JurBüro 2022, 257 = FamRZ 2023, 550). Dem schließt sich der Senat jedoch nicht an.

Da § 55 Abs. 3 FamGKG das Ziel verfolgt, dass im Ergebnis der Verfahrenswert zutreffend festgesetzt wird, entspricht es in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem eine bei der Wertfestsetzung oftmals auftretende Fragestellung zu entscheiden ist, ersichtlich dem Gesetzeszweck, von der Kann-Vorschrift Gebrauch zu machen. Die zeitlichen Änderungsvoraussetzungen nach § 55 Abs. 3 S. 2 FamGKG liegen vor.

IV. Leistungen für Unterkunft und Heizung sind zu berücksichtigen

Der Verfahrenswert für das Scheidungsverbundverfahr...

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