1. Gesetzliche Regelung

Gem. § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO sind Reisekosten eines Rechtsanwalts der obsiegenden Partei, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, nur insoweit zu erstatten, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war.

2. Notwendigkeit

Der BGH hat darauf hingewiesen, dass bei der Beurteilung der Frage, ob die umstrittenen Terminsreisekosten notwendig waren, auf die Sichtweise einer verständigen und wirtschaftlich vernünftig handelnden Partei aus der Sicht ex ante abzustellen sei (BGH RVGreport 2005, 476 [Hansens]; BGH RVGreport 2013, 67 [Ders.]; BGH NJW 2018, 1693; BGH AGS 2021, 506 [Hansens] = zfs 2021, 708 m. Anm. Hansens). Dabei darf – so fährt der BGH fort – die Partei ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen. Die Partei sei lediglich gehalten, unter mehreren gleichartigen Maßnahmen die konstengünstigste auszuwählen (BGH RVGreport 2013, 67 [Hansens]; BGH NJW 2018, 1693; BGH AGS 2021, 506 [Hansens] = zfs 2021, 700 m. Anm. Hansens). Liegen diese Voraussetzungen vor, so kann nach Auffassung des BGH auch die Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwalts als notwendig anzuerkennen sein.

3. Rechtsstreit am Sitz der Partei

Nach den weiteren Ausführungen des BGH ist allerdings die Einschaltung eines auswärtigen Rechtsanwalts regelmäßig nicht notwendig, wenn die Partei ihren Sitz innerhalb des Gerichtsbezirks hat und nicht einen dort tätigen, sondern einen außerhalb des Bezirks ansässigen Rechtsanwalt beauftragt (BGH AGS 2012, 434 = RVGreport 2012, 191 [Hansens]; BGH AGS 2019, 42 = RVGreport 2019, 106 [Ders.]; BGH AGS 2021, 506 [Ders.] = zfs 2021, 700 m. Anm. Hansens). In einem solchen Fall – so fährt der BGH fort – kann die Partei Reisekosten nur insoweit erstattet verlangen, als sie entstanden wären, wenn sie einen Rechtsanwalt mit Niederlassung am weitest entfernt gelegenen Ort innerhalb des Gerichts mandatiert hätten (BGH AGS 2019, 42 = RVGreport 2019, 106 [Hansens] BGH AGS 2021, 506 [Ders.] = zfs 2021, 700 m. Anm. Hansens).

4. Ausnahmen

Dieser Grundsatz gilt nach Auffassung des BGH jedoch nicht ausnahmslos. So könne auch in einem solchen Fall die Einschaltung eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten notwendig sein, wenn sich diese aus der Komplexität der jeweiligen Rechtsstreitigkeiten ergibt oder wenn mehrere gleichgelagerte Rechtsstreitigkeiten bei verschiedenen Gerichten zu führen sind und die Partei aus diesem Grunde die Wahrnehmung ihrer Belange durch einen einzigen Rechtsanwalt als sachdienlich ansehen kann (BGH NJW 2018, 1693). Ferner könne die Beauftragung eines spezialisierten auswärtigen Rechtsanwalts ausnahmsweise dann notwendig sein, wenn ein vergleichbarer ortsansässiger Rechtsanwalt nicht beauftragt werden könne (BGH AGS 2012, 434 = RVGreport 2012, 191 [Hansens]; BGH AGS 2021, 506 [Hansens] = zfs 2021, 700 m. Anm. Hansens).

Nach Auffassung des BGH hat hier ein solcher Ausnahmefall vorgelegen, sodass die Beklagte erstattungsrechtlich nicht gehalten war, für die Vielzahl von im gesamten Bundesgebiet zu führenden ähnlich gelagerten Prozessen jeweils gesondert einen Prozessbevollmächtigten am Prozessort zu beauftragen und neu zu instruieren. Eine nennenswerte Kostenersparnis sei dann durch die Einschaltung einer am Prozessort oder an dem Geschäftssitz der Partei niedergelassenen Anwaltskanzlei – bei fehlendem persönlichen Besprechungsbedarf – nicht zu erwarten, wenn – wie es hier der Fall war – ein Unternehmen bundesweit in einer Vielzahl von Fällen verklagt wird.

5. Substantiiertes Vorbringen

Die erstattungsberechtigte Partei (hier: die Beklagte) muss die Voraussetzungen für die Einschaltung eines spezialisierten auswärtigen Rechtsanwalts jedoch hinreichend substantiiert vortragen. Das hatte die Beklagte nach Auffassung des BGH hier getan. Diesem Vorbringen lasse sich – so der BGH – entnehmen, dass die Beklagte bundesweit – vertreten durch die in Köln ansässige Rechtsanwaltskanzlei – Prozesse führe. Ferner ergebe sich aus dem Vorbringen, dass es sich um eine Vielzahl von solchen Verfahren handele. Demgegenüber bedürfe es einer näheren Darlegung, in welchem konkreten quantitativen Verhältnis die in München geführten Prozesse zu den auswärtigen stehen, nicht.

Der Kläger hatte in seiner Rechtsbeschwerdeerwiderung zwar die Vermutung geäußert, der Schwerpunkt der leasingrechtlichen Prozessserie, die die Beklagte führe, liege nicht im gesamten Bundesgebiet, sondern in München. Dem hat der BGH entgegengehalten, es fehle an den entsprechenden Feststellungen des Beschwerdegerichts, die im Rechtsbeschwerdeverfahren somit nicht zu überprüfen seien.

Nach Auffassung des BGH, der insoweit der Entscheidung des OLG München gefolgt ist, waren die Voraussetzungen des § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO für die Erstattungsfähigkeit der Terminsreisekosten erfüllt. Die Beauftragung der auf Leasingrecht spezialisierten Prozessbevollmächtigten mi...

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