1. Beim ersten Lesen wird sich mancher Leser fragen: Was soll diese Entscheidung des BGH in einer gebührenrechtlichen Zeitschrift? Ist die Berichterstattung ein Versehen oder vielleicht doch mit Absicht und zu Recht erfolgt? Nun, es ist kein Versehen, sondern wir berichten bewusst über diese Entscheidung, obwohl der BGH keine gebührenrechtliche Problematik behandelt hat, sondern ein verfahrensrechtliches Problem bei im Ermittlungsverfahren verweigerter Akteneinsicht, nämlich die Ausnahmeregelung in § 147 Abs. 5 S. 2 StPO. In dem Zusammenhang nimmt der BGH zum Begriff "nicht auf freiem Fuß" Stellung. Dieser Begriff taucht aber auch im RVG auf, nämlich in Vorbem. 4 Abs. 4 VV, der den Zuschlag auf die Gebühren regelt, wenn sich der Beschuldigte "nicht auf freiem Fuß befindet" (dazu eingehend Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Vorbem. 4 VV Rn 110 ff.). Und damit ist der gebührenrechtliche Bezug hergestellt. Das mag vielleicht dem einen oder anderen etwas weit hergeholt erscheinen – und der Ermittlungsrichter des BGH hatte die Vorbem. 4 Abs. 4 VV sicherlich nicht im Blick – aber: M.E. lässt sich mit dieser Entscheidung des BGH trefflich argumentieren, wenn es um die Auslegung der Voraussetzung "nicht auf freiem Fuß" und damit um die Gewährung des "Haftzuschlags" auf die Gebühren geht. Denn bislang liegt Rspr. zu der Frage, ob sich der Beschuldigte, der sich in Auslieferungshaft befindet, auch "nicht auf freiem Fuß" ist, was man bejahen muss (so auch Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Vorbem. 4 Rn 112), nicht vor. Das ist mit dem BGH zu bejahen. Und nicht nur das: Nach der Entscheidung des BGH befindet sich nicht nur derjenige Beschuldigte, gegen den inländische Auslieferungshaft vollstreckt wird, "nicht auf freiem Fuß", sondern auch derjenige, der sich in ausländischer (Straf-)Haft befindet, mit der Haft also nicht ein deutsches Auslieferungsersuchen gesichert werden soll, aber die formlose Überstellung beantragt worden ist. Das ist auch mit dem Sinn und Zweck der Vorbem. 4 Abs. 4 VV zu vereinbaren, denn dass der Zugang zu diesem Mandanten erschwert ist, liegt auf der Hand. Deshalb: Es kann sich – im wahrsten Sinne des Wortes "lohnen" – über den Tellerrand zu schauen. Manchmal haben Entscheidungen eben gebührenrechtliche Auswirkungen, mit denen man auf den ersten Blick gar nicht gerechnet hat.

2. Der Antrag hatte i.Ü. auch Erfolg, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für die Versagung von Akteneinsicht nicht vorgelegen haben (vgl. zum Prüfungsumfang LR/Erb, 27. Aufl., § 161a Rn 61; Schlothauer, StV 1991, 192, 195). Der BGH hat hier eine Gefährdung des Untersuchungszwecks – auch in einem anderen Strafverfahren – durch Akteneinsicht des Verteidigers verneint.

Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

AGS 12/2021, S. 555 - 556

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