ArbGG § 72a Abs. 1; RVG VV Nrn. 3506, 3507

Leitsatz

Bleibt die vom Rechtsbehelfsführer bereits begründete Nichtzulassungsbeschwerde zum BAG gem. § 72a Abs. 1 ArbGG ohne Erfolg und hatte die Gegenpartei bereits einen Sachantrag gestellt oder zur Sache vorgetragen, kann diese im Kostenfestsetzungsverfahren regelmäßig die Erstattung der 1,6-fachen Verfahrensgebühr nach Nr. 3506 VV durchsetzen. Dies gilt auch dann, wenn der Zurückweisungsantrag bereits vor Begründung der Beschwerde gestellt war.

LAG Hamm, Beschl. v. 22.8.2019 – 8 Ta 613/18

1 Sachverhalt

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Festsetzung der außergerichtlichen Kosten der Beklagten im Zusammenhang mit einer vom Kläger nach § 72a Abs. 1 ArbGG erfolglos betriebenen Nichtzulassungsbeschwerde.

I. Der Kläger blieb mit seiner eine Mehrheit von Streitgegenständen umfassenden Eingruppierungs- und Zahlungsklage auch in zweiter Instanz vor dem LAG vollumfänglich erfolglos. Daraufhin erhob er, im Wesentlichen gestützt auf den Gesichtspunkt der Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör, am 16.1.2018 anwaltlich vertreten Nichtzulassungsbeschwerde zum BAG. Mit Schriftsatz vom 31.1.2018 legitimierten sich die zweitinstanzlich tätigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten für diese gegenüber dem BAG und beantragten zugleich, die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.

Erst danach, unter dem 19.2.2018, begründete der Kläger seinen Rechtsbehelf. Mit Beschl. v. 25.9.2018 verwarf das BAG die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig. Es legte dem Kläger die Kosten des Beschwerdeverfahrens auf und setzte den Wert des Beschwerdegegenstands – entsprechend der zweitinstanzlichen Angabe zum Verfahrenswert – auf 82.413,79 EUR fest.

Daraufhin beantragte die Beklagte auf der Grundlage eines Gegenstandswerts in eben dieser Höhe die Kostenfestsetzung für das Verfahren dritter Instanz gegen den Kläger. Der Antrag umfasst eine 1,6-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3506 VV i.H.v. 2.268,80 EUR, die Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV i.H.v. 20,00 EUR und die auf die Anwaltsvergütung zu entrichtende Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV) i.H.v. insgesamt 434,87 EUR, mithin einen Gesamtbetrag i.H.v. 2.723,67 EUR nebst Zinsen ab Antragstellung.

Mit Beschluss des Rechtspflegers setzte das ArbG die vom Kläger zu erstattenden Kosten, vom Antrag abweichend, auf 1.879,96 EUR nebst Zinsen fest. Zur Begründung verwies es darauf, dass eine vorzeitige Beendigung des Auftrags i.S.d. Nr. 3507 VV vorgelegen habe, was eine Ermäßigung der Verfahrensgebühr auf eine 1,1-Gebühr unter entsprechender Absenkung des Umsatzsteueraufkommens bedinge.

Gegen die vom ArbG vorgenommene Kostenfestsetzung haben beide Parteien jeweils aus eigenem Recht gesondert Beschwerde eingelegt.

Die Beklagte verfolgt den Anspruch auf Erstattung der 1,6-Verfahrensgebühr weiter. Sie macht geltend, dass eine vorzeitige Beendigung des anwaltlichen Auftrags mit der Folge einer Gebührenermäßigung deshalb nicht vorgelegen habe, weil die Nichtzulassungsbeschwerde im Nachgang zum Zurückweisungsantrag begründet und beschieden worden sei. Die Gebühr sei auch als zur Rechtsverteidigung notwendige Aufwendung i.S.d. § 91 Abs. 1 ZPO erstattungsfähig.

Denn die mit einem auf die Eröffnung der Revisionsmöglichkeit gerichteten Rechtsbehelf überzogene Partei dürfe schon im Vorfeld der Begründung auf anwaltliche Unterstützung zurückgreifen. Werde der Rechtsbehelf dann begründet, komme es nach höchstrichterlicher Rspr. auf die zeitliche Reihenfolge von Zurückweisungsantrag und Begründungsschriftsatz nicht mehr an. Denn im Falle der Begründung des Rechtsbehelfs seien die anwaltliche Überprüfung und ein an das befasste Obergericht gerichteter Zurückweisungsantrag regelmäßig als Maßnahmen sachlich gerechtfertigter und zweckgerechter Rechtsverteidigung erforderlich.

Der Kläger macht geltend, dass die außergerichtlichen Kosten der Beklagten für die anwaltliche Vertretung im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren mangels Erforderlichkeit selbiger überhaupt nicht erstattungsfähig seien. Dies folge aus § 72a ArbGG. Denn die Norm sehe – anders als § 544 Abs. 3 ZPO – eine notwendige Beteiligung des Prozessgegners bis zur Beschwerdeentscheidung gar nicht vor. Wenn jedoch eine Beteiligung am Beschwerdeverfahren in der Sache gar nicht vorgesehen sei, könne die Gegenpartei ihre Interessen durch eine entsprechende Beauftragung anwaltlicher Leistungen und die darauf fußende Beteiligung am Beschwerdeverfahren gar nicht fördern. Ein gegenteiliges Verhalten sei jedenfalls mit der aus dem Prozessrechtsverhältnis abzuleitenden Verpflichtung, die Kosten für den Gegner möglichst niedrig zu halten, unvereinbar. Folglich sei der in § 91 Abs. 1 ZPO begründete, an die Notwendigkeit der Aufwendungen geknüpfte Erstattungsanspruch ausgeschlossen.

Das ArbG hat beiden Beschwerden nicht abgeholfen.

2 Aus den Gründen

II. Die Beschwerde der Beklagten hat in der Sache Erfolg. Die Beschwerde des Klägers ist hingegen unbegründet.

1. Die sofortigen Beschwerden beider Parteien gegen die vom ArbG nach § 104 Abs. 1 S. 1 ZPO vorgenommene Kostenfestsetzu...

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