ZPO §§ 128 Abs. 1, 937 Abs. 2; RVG VV Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104

Leitsatz

Im Falle eines Anerkenntnisurteils im schriftlichen Verfahren entsteht (auch) im einstweiligen Verfügungsverfahren eine Terminsgebühr.

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.10.2017 – I-15 W 47/17 

1 Aus den Gründen

Die gem. §§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist unbegründet.

Das LG hat mit dem (teilweise) angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss zu Recht u.a. eine 1,2-Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV zugunsten der Antragstellerin festgesetzt.

Es entspricht – soweit ersichtlich – der einheitlichen Auffassung in der obergerichtlichen Rspr., dass eine Terminsgebühr für die beteiligten Anwälte entsteht, wenn im einstweiligen Verfügungsverfahren ein Anerkenntnisurteil im schriftlichen Verfahren ergeht (vgl. OLG Stuttgart NJW-RR 2005, 1735 [= AGS 2006, 24]; vgl. OLG Zweibrücken NJOZ 2015, 188; OLG Oldenburg NJW 2017, 1250 [= AGS 2017, 176]). Der betreffenden Rspr. schließt sich der Senat im Ergebnis, nicht aber in der rechtlichen Begründung an (vgl. zum Folgenden auch die überzeugende Kritik von Schneider in der Anm. zu OLG Oldenburg NJW 2017, 1250):

Nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV entsteht die Terminsgebühr u.a. auch dann, wenn in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, gem. § 307 ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden wird. Beide Voraussetzungen liegen in der hiesigen Konstellation vor.

Für einstweilige Verfügungsverfahren ist "mündliche Verhandlung vorgeschrieben" i.S.v. Nr. Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV. Um dies zu begründen, bedarf es – entgegen der vorzitierten Entscheidung des OLG Oldenburg – allerdings nicht der Übertragung der Rspr. des BGH zu Vorbem. 3 Abs. 3 Alt. 3, Nr. 3104 VV (vgl. BGH NJW 2012, 459 [= AGS 2012, 10]), wonach es insoweit ausreicht, dass eine mündliche Verhandlung bloß möglich ist und die Parteien ("abstrakt") eine solche erzwingen können.

Vielmehr ist – vorgelagert – zu beachten, dass auch im einstweiligen Verfügungsverfahren der allgemeine Grundsatz des § 128 Abs. 1 ZPO gilt und daher grundsätzlich eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist. Anders als im Arrestverfahren kommt im einstweiligen Verfügungsverfahren gerade nicht über § 936 ZPO die Regelung des § 922 Abs. 1 ZPO zur Anwendung, sondern es gilt hier die (den Grundsatz der mündlichen Verhandlung mittelbar bestätigende) lex specialis des § 937 Abs. 2 ZPO, welche die Regelung des § 922 Abs. 1 ZPO verdrängt und dem Gericht bloß ausnahmsweise unter den dort normierten engen Voraussetzungen eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren gestattet ("... kann ... ohne mündliche Verhandlung ergehen.").

Unstreitig hat das LG vorliegend im schriftlichen Verfahren nach § 307 S. 2 ZPO ein Anerkenntnisurteil erlassen, so dass auch die weitere Voraussetzung der Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV unproblematisch erfüllt ist.

Gegen die Höhe der festgesetzten Terminsgebühr hat die Antragsgegnerin zu Recht nichts erinnert, sondern deren Festsetzung allein dem Grunde nach angegriffen.

2 Anmerkung

Die Entscheidung ist insbesondere in ihrer Begründung zutreffend.

Grundsätzlich gilt auch in Arrest- und einstweiligen Verfügungsverfahren zunächst einmal § 128 Abs. 1 ZPO, wonach die mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist. Anders als im Prozesskostenhilfeverfahren (§ 117 Abs. 1 ZPO) ist nicht vorgeschrieben, dass ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden sei. Es ist auch nicht wie in einem selbstständigen Beweisverfahren (§ 490 Abs. 1 ZPO) grundsätzlich durch Beschluss und damit ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 4 ZPO) zu entscheiden.

Dem Gericht steht es im einstweiligen Verfügungsverfahren auch nicht – wie im Arrestverfahren – nach § 922 Abs. 1 ZPO frei, ob es durch Urteil oder durch Beschluss und damit ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 128 Abs. 4 ZPO). Die Regelung des § 922 Abs. 2 S. 1 ZPO, die dem Gericht die freie Entscheidung zwischen Urteils- und Beschlussverfahren lässt, ist nämlich in einem einstweiligen Verfügungsverfahren gar nicht anwendbar. Die Verweisung des § 936 ZPO auf die Arrestvorschriften wird insoweit durch die Regelung des § 937 Abs. 2 ZPO verdrängt. Danach ist eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung in einstweiligen Verfügungsverfahren als Ausnahme nur dann zulässig, wenn

  eine Dringlichkeit besteht oder
  der Antrag zurückgewiesen wird.

Gerade aus diesen beiden Ausnahmeregelungen des § 937 Abs. 2 ZPO folgt, dass die mündliche Verhandlung grundsätzlich vorgeschrieben ist.[1] Anderenfalls bedürfte es dieser Ausnahmeregelung nämlich gar nicht.

Das bedeutet, dass es sich bei einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung immer um ein Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung handelt.

Damit ist allerdings nicht gesagt, dass die Terminsgebühr bei jeglicher Entscheidung anfällt. So fällt die Terminsgebühr nicht an, wenn das Gericht über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im Falle der Zurückweisung oder der Dringlichkeit (§ 937 Abs. 2 ZPO) ohne mündliche Verh...

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