Über die Beschwerde entscheidet der Senat in der Besetzung mit drei Berufsrichtern ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richter (§§ 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. 33 Abs. 8 S. 3 RVG), nachdem der Einzelrichter das Verfahren auf den Senat übertragen hat (§§ 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. 33 Abs. 8 S. 2 RVG): Die Sache hat im Hinblick auf die Frage, ob die endgültige Festsetzung der von der Staatskasse geschuldeten Vergütung hinter einem dem beigeordneten Rechtsanwalt gewährten Vorschuss zurückbleiben darf, grundsätzliche Bedeutung, nachdem jedenfalls für den Zuständigkeitsbereich des Hessischen LSG eine Entscheidung hierzu nicht vorliegt und auch im Übrigen zumindest veröffentlichte Erscheinungen hierzu aus jüngerer Zeit selten sind.

Die gem. §§ 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde, der das SG nicht abgeholfen hat, ist unbegründet. Die Vergütungsfestsetzung durch den Urkundsbeamten und der mit dieser übereinstimmende Beschluss des SG sind nicht zu beanstanden; ein über den Betrag von 428,40 EUR hinausgehender Vergütungsanspruch (inkl. Umsatzsteuer) des Beschwerdeführers besteht nicht.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht durfte das SG über die Festsetzung entscheiden, ohne zuvor nach § 14 Abs. 2 S. 1 RVG ein Gutachten beim Vorstand der Rechtsanwaltskammer einholen zu müssen. Die Regelung ist nur im Rechtsstreit unmittelbar zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Mandanten anwendbar, nicht dagegen im Verhältnis des im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe beigeordneten Anwalts und der Staatskasse (vgl. nur Bayerisches LSG, Beschl. v. 1.3.2011 – L 15 SF 204/09 B E m.w.N.).

In der Sache sind angesichts des Zeitpunkts der Auftragserteilung an den Beschwerdeführer zur Durchführung des Ausgangsverfahrens bzw. von dessen Beiordnung vorliegend das RVG und das zugehörige Gebührenverzeichnis (VV) noch in ihrer bis 31.7.2013, also bis zu den Reformen durch das Zweite Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts vom 23.7.2013 (BGBl I, S. 2586) geltenden Fassung (a.F.) anzuwenden, soweit diese von der jetzigen abweicht (vgl. § 60 Abs. 1 S. 1 RVG). Dabei sind im vorliegenden Verfahren unstreitig (nur) die Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV a.F. einschließlich der Erhöhung nach Nr. 1008 VV, die Einigungsgebühr nach Nr. 1005 VV a.F. sowie die Post- und Telekommunikationspauschale (Nr. 7002 VV) und die Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV) angefallen. Der beigeordnete Rechtsanwalt erhält diese im Umfang seiner Beiordnung aus der Landeskasse (§§ 45 Abs. 1, 48 Abs. 1 RVG).

Die Höhe der Gebühren richtet sich nach den §§ 3, 14 RVG: Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen – wie hier (vgl. §§ 183, 197 SGG) – das GKG nicht anwendbar ist, Rahmengebühren. Innerhalb des durch den jeweiligen Tatbestand des Vergütungsverzeichnisses vorgegebenen Rahmens bestimmt der Rechtsanwalt die Höhe der Gebühr unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit für den Beteiligten, dem er beigeordnet ist, sowie von dessen Einkommens- und Vermögensverhältnissen und des Haftungsrisikos nach billigem Ermessen (vgl. die nicht abschließende Aufzählung der maßgeblichen Umstände in § 14 Abs. 1 S. 1 und S. 3 RVG).

Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 S. 4 RVG); dabei kann offenbleiben, ob diese Vorschrift im Verhältnis der Beteiligten überhaupt anwendbar ist, ob also die Staatskasse als Vergütungsschuldnerin nach § 55 RVG a.F. als Dritte i.S.d. Vorschrift anzusehen ist. Jedenfalls nämlich hat der Gesetzgeber dem Rechtsanwalt ein Beurteilungs- und Entscheidungsvorrecht eingeräumt, und zwar entweder über den erwähnten § 14 Abs. 1 S. 1 und S. 4 RVG oder – soweit man diesen nicht für anwendbar, sondern eine Gleichstellung der Staatskasse mit dem Auftraggeber für geboten hält – über § 315 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 des BGB. Dementsprechend – und angesichts der erheblichen Unschärfen, die notwendig mit der Anwendung der Kriterien des § 14 RVG einhergehen – ist dem Rechtsanwalt bei der Bestimmung der Gebühr ein Spielraum einzuräumen und die verlangte Gebühr erst bei Überschreiten einer Toleranzgrenze von 20 % nicht mehr maßgeblich (vgl. für viele BSG, Urt. v. 1.7.2009 – B 4 AS 21/09 R, BSGE 104, 30; BGH, Urt. v. 30.10.2006 – VI ZR 261/05, NJW-RR 2007, 420 [= AGS 2007, 28]).

Um andererseits eine gewisse Transparenz und Vergleichbarkeit der Beurteilung zu ermöglichen, ist bei der Bestimmung der Gebühr grundsätzlich von der sogenannten Mittelgebühr auszugehen, mit der die Tätigkeit eines Rechtanwaltes in einem Durchschnittsfall angemessen abgegolten wird; sie greift also ein, wenn die Tätigkeit bezogen auf die maßgeblichen und in § 14 RVG beispielhaft aufgeführten Kriterien als durchschnittlich anzusehen ist (vgl. zu den Prüfungsschritten nach § 14 RVG für den Bereich des SGB II ausführlich BSG, ...

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