Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Rechtsanwalt und Gericht für die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ausgangspunkt für die Vergütungsfestsetzung bei Betragsrahmengebühren ist die Bestimmung der konkreten Gebühr durch den Rechtsanwalt. Dies gilt auch, wenn der Rechtsanwalt einen Anspruch auf Vergütung nach Beiordnung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe geltend macht.

2. Der Rechtsanwalt hat die Gebühr nach billigem ermessen zu bestimmen und dabei die Kriterien des § 14 RVG zu berücksichtigen. Verbindlich ist die von ihm vorgenommene Bestimmung der Gebühr nur, wenn sie tatsächlich billigem Ermessen entspricht.

3. Im Fall einer nicht verbindlichen, d.h. nicht der Billigkeit entsprechenden Bestimmung der Gebühr durch den Rechtsanwalt, wird die Gebühr im Kostenfestsetzungsverfahren ermittelt.

4. Der Senat hält die vom Rechtsanwalt bestimmte Gebühr für noch verbindlich, wenn sie bis zu 20 % von der Gebühr abweicht, die der Kostenbeamte und gegebenenfalls das Gericht bzw. Beschwerdegericht für angemessen halten.

 

Normenkette

RVG § 14 Abs. 1, 2 S. 1, § 2 Abs. 2 S. 1 Anl. Nr. VV 1000, S. 1 Anl. Nr. VV 1006, S. 1 Anl. Nr. VV 3102, S. 1 Anl. Nr. VV 3106, § 3 Abs. 1 S. 1, § 33 Abs. 3 S. 1, Abs. 8 S. 2, § 45 Abs. 1, § 48 Abs. 1, § 55 Abs. 1 S. 1, § 56 Abs. 2 S. 1; BGB § 315

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 18. Mai 2009 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Gegenstand des Verfahrens ist die Höhe des Rechtsanwaltshonorars nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), das dem Beschwerdeführer nach Beiordnung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe aus der Staatskasse zusteht. Streitig ist die Höhe der Gebühren (Verfahrensgebühr, Terminsgebühr, Erledigungsgebühr).

Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Regensburg S 9 R 832/07 ging es um die Er-höhung der dem Kläger mit Rentenbescheid vom 26.11.2007 ab 01.08.2008 zuerkannten Altersrente für schwerbehinderte Menschen wegen zusätzlicher Berücksichtigung von Beiträgen des Klägers zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) der DDR in der Zeit von 01.06.1976 bis 13.06.1989. In dem zum Rentenbescheid gehörenden Versicherungsverlauf waren Beiträge zur FZR für die Zeit ab Februar 1977 bis Mai 1989 schon erfasst. Nach Klageerhebung durch den Kläger am 20.12.2007 zeigte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 07.01.2008 die Vertretung an und begründete die Klage mit einem eineinhalbseitigen Schriftsatz, dem eine Kopie des Rentenbescheids und Auszüge aus dem Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung beigefügt waren. In Reaktion auf Schriftsätze der Beklagten fertigte der Beschwerdeführer den Schriftsatz vom 17.03.2008 (halbe Seite). Das Sozialgericht Regensburg bewilligte dem Kläger Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Sozialgericht Regensburg ab Antragstellung zu den Kosten eines im Gerichtsbezirk ansässigen Anwalts und ordnete ihm den Beschwerdeführer bei (Beschluss vom 15.10.2008). In der mündlichen Verhandlung am 28.10.2008 (12.15 bis 12.55 Uhr) schlossen die Beteiligten einen das Verfahren beendenden Vergleich. Sie einigten sich darauf, dass die Beklagte die Versicherungszeiten überprüfen und die Rente neu feststellen sowie ein Drittel der außergerichtlichen Kosten übernehmen werde.

Mit Schriftsatz vom 31.10.2008 übersandte der Beschwerdeführer seine Kostenrechnung. Er forderte die Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV mit 460 Euro, die Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV mit 380 Euro und die Einigungs- oder Erledigungsgebühr gemäß Nr. 1006 VV mit 350 Euro (außerdem Pauschale 20 Euro: netto 1210 Euro, zzgl. 19 % MWSt 229,90 Euro). Von der Summe 1439,90 Euro wies er als zu zahlenden Betrag 959,93 Euro (zwei Drittel) aus. Er legte dar, dass der Ansatz der Höchstgebühr gerechtfertigt sei. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit sei erheblich gewesen. Die Aufklärung des Sachverhalts sei besonders zeitaufwändig gewesen, insbesondere weil für einen langen Zeitraum ein Abgleich des Rentenkontos mit den Beitragszahlungen des Klägers erforderlich gewesen sei. Die Unterlagen in den Arbeitsausweisen seien schlecht lesbar und zum Teil unübersichtlich gewesen. Die Angelegenheit sei auch rechtlich schwierig gewesen, da die seltene Frage der Anrechnung von Beiträgen zur Freiwilligen Zusatzversicherung der DDR auf die Altersrente eine besondere Einarbeitung erfordert habe. Die Streitigkeit über die Höhe der Altersrente habe für den Kläger außerdem erhebliche wirtschaftliche Bedeutung.

Die Beklagte teilte mit, dass die in Rechnung gestellten Kosten antragsgemäß zu einem Drittel in Höhe von 479,97 Euro erstattet worden seien (Schreiben vom 19.11.2008).

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (Kostenbeamtin) setzte die aus der Staatskasse zu erstattenden Kosten am 09.03.2009 auf 78,94 Euro fest:

Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG

333,00 Euro

Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG

267,00 Euro

Einigungsgebühr, Nr. 1006 RVG

253,00 Euro

Auslagenpauschale, Nr. 7002 VV RVG

    20,00 Euro

873,00 Euro

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