ZPO § 3; GKG § 63 Abs. 2

Leitsatz

Streiten die Parteien darüber, ob ihr Rechtsstreit durch einen Prozessvergleich beendet worden ist, dann erhöht sich der Streitwert für dieses fortgesetzte Verfahren um den Mehrwert des Vergleichs. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das ursprüngliche Verfahren wegen Zeitablaufs hilfsweise übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist.

LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 21.9.2009–15 SaGa 1227/09

1 Aus den Gründen

I.  Nachdem der Kläger im hiesigen einstweiligen Verfügungsverfahren ursprünglich nach Ausspruch einer Kündigung durch die Beklagte die vorläufige Weiterbeschäftigung bis längstens zum 30.6.2009 begehrte, schlossen die Parteien in der Berufungsverhandlung am 13.7.2009 einen für die Beklagte widerruflichen Vergleich. Durch diesen sollte auch das schon anhängige Kündigungsschutzverfahren mit erledigt werden. Anschließend stritten die Parteien darüber, ob der Vergleich rechtzeitig widerrufen wurde.

Der Kläger beantragte nunmehr die Feststellung, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich erledigt worden sei. Hilfsweise erklärten die Parteien den Rechtsstreit wegen Zeitablaufs für erledigt.

II.  Der Streitwert beträgt hier 40.625,01 EUR. Streiten die Parteien darüber, ob ihr Rechtsstreit durch einen Prozessvergleich beendet worden ist, dann erhöht sich der Streitwert für dieses fortgesetzte Verfahren um den Mehrwert des Vergleichs. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das ursprüngliche Verfahren wegen Zeitablaufs hilfsweise übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist.

Die Frage, wie der Streitwert in dem über die Wirksamkeit des Vergleichs fortgesetzten Verfahren zu bemessen ist, wird in Rspr. und Schrifttum allerdings nicht einheitlich beantwortet. So wird einerseits die Auffassung vertreten, der Streitwert des fortgesetzten Verfahrens entspreche demjenigen des bisherigen Verfahrens. Unbeachtlich sei, dass dabei auch inzidenter über die Wirksamkeit des unter Umständen höherwertigen Vergleichs entschieden werde, da der Vergleichsgegenstand nicht zum allein streitwertrechtlich relevanten Streitgegenstand geworden sei (Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 3 Nr. 68 Stichwort: Vergleich [Wert bei Fortsetzung des Verfahrens]; ebenso im Ergebnis Musielak/Henrich, ZPO, 5. Aufl., § 3 Rn 32; Zöller/Herget, ZPO, 27. Aufl., § 3 Rn 16 Stichwort: Vergleich; LAG Düsseldorf v. 6.7.2000–7 Ta 211/00, MDR 2000, 1099).

Wohl überwiegend wird dagegen die Ansicht vertreten, der Wert des Verfahrens bestimme sich nach dem Interesse desjenigen, der die Unwirksamkeit des Vergleichs geltend mache. Allein der Umstand, dass der Streit hierüber durch Fortsetzung des bisherigen Verfahrens geführt werden müsse, rechtfertige keine schematische Gleichsetzung mit dessen Hauptsachewert. Vielmehr entspreche die Situation einem Zwischenstreit. Das nach § 3 ZPO maßgebliche Interesse des "Fortsetzungsklägers" bemesse sich nach der Differenz zwischen seinem Sachantrag in dem bisherigen Verfahren und der mit dem Vergleich übernommenen Verpflichtung. Der Wertbestimmung habe daher eine Saldierung der mit dem Vergleichsabschluss verbundenen vermögensrechtlichen Vor- und Nachteile für den "Fortsetzungskläger" vorauszugehen (Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 12. Aufl., Rn 5737). Für andere ist allgemein das Interesse desjenigen maßgeblich, der sich auf die Unwirksamkeit oder Wirksamkeit des Vergleichs beruft (MünchKomm-ZPO/Schwerdtfeger, 2. Aufl., § 3 Rn 127; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 29. Aufl., § 3 Rn 157; OLG Bamberg JurBüro 1998, 541). Vereinzelt wird ohne nähere Begründung der Wert des widerrufenen Vergleichs angesetzt (LAG Hamm, 25.6.1998–4 Sa 1207/97). Es soll der Wert der Leistung entscheidend sein, den die Partei der anderen im Vergleich versprochen hat (Harms, jurisPR-FamR 24/2005 Anm. 3). Jedenfalls für die Beschwer eines Berufungsklägers komme es auf dessen Interesse an der Feststellung der Unwirksamkeit des Vergleichs an (BGH v. 14.2.2007 – XII ZB 52/03, FamRZ 2007, 630). Soweit der Vergleich einen Mehrwert hat, erhöhe sich der Streitwert des Nachverfahrens um diesen (OLG Stuttgart v. 3.7.1978–8 W 515/77, KostRspr. BRAGO § 13 Nr. 30; OLG Hamm v. 14.12.1979 – KostRspr. BRAGO § 13 Nr. 37).

Nur den Wert des ursprünglichen Verfahrens auch für das fortgesetzte Verfahren in Ansatz zu bringen, wird dem geänderten Streitstoff nicht gerecht. Die Parteien wollen bei Streit über die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs in erster Linie festgestellt wissen, ob ihre künftigen Rechtsbeziehungen ausschließlich durch diesen Vergleich bestimmt werden. Dieser Vergleich ist – je nach Standpunkt – begünstigend oder belastend. Daher muss zusätzlich zu dem ursprünglichen Streitwert auch der Mehrwert dieses Vergleichs berücksichtigt werden (OLG Stuttgart v. 3.7.1978–8 W 515/77, KostRspr. BRAGO § 13 Nr. 30; OLG Hamm 14.12.1979 – KostRspr. BRAGO § 13 Nr. 37). Dies muss vorliegend vor allem auch deswegen gelten, weil wegen der hilfsweise abgegebenen Erledigterklärungen der ursprüngliche Rechtsstreit keinesfalls fortzusetzen ist. Dann kann der Wert des ursprünglich...

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