Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

1. Die Beklagte hat einen Anspruch auf Zahlung von 138,04 EUR aus §§ 7 StVG, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG, 1 PfIVG.

a) Die Voraussetzungen des § 7 StVG sind zwischen den Parteien unstreitig, ebenso die volle Haftung der Beklagten dem Grunde nach.

b) Im konkreten Fall handelt es sich nicht, wie von der Beklagten angenommen, um dieselbe Angelegenheit i.S.v. § 7 Abs. 1 RVG. Folglich hat die Klägerin die Anwaltskosten berechnet aus dem ihr gegenüber bestehenden Streitwert an die beauftragte Anwältin zu zahlen und kann folglich insoweit Schadensersatz verlangen.

Der Unfall ereignete sich in der achten oder neunten Schwangerschaftswoche der Klägerin. Zum damaligen Zeitpunkt war ihr der Vater des Kindes nicht genau bekannt, sie war aber mit dem Zeugen St. etwa einen Monat zusammen. Mit dem Zeugen ist sie auch gemeinsam zur Klägervertreterin gegangen.

Aufgrund der glaubhaften Aussage des Zeugen St. in der mündlichen Verhandlung steht fest, dass dieser der Klägervertreterin in einem Telefonat ungefähr im November 2011 mitteilte, nicht mehr mit der Klägerin zusammen zu sein. Bereits bis zu diesem Zeitpunkt hatten der Zeuge und die Klägerin die Schreiben von Frau Sch. getrennt erhalten.

Es kann somit offen bleiben, ob bei Auftragserteilung im September 2011 eine einheitliche Auftragserteilung erfolgte und es sich zu diesem Zeitpunkt um dieselbe Angelegenheit i.S.d. Gebührenrechts handelte. Denn unter den gegebenen Umständen, wonach die Klägerin nur kurze Zeit mit dem Zeugen St. zusammen war und dann die Beziehung in die Brüche ging, bestand aufgrund der Schweigepflicht der Klägervertreterin ein sachlicher Grund dafür, die Angelegenheit jedenfalls ab Mitteilung der Trennung getrennt zu behandeln. Dies entsprach auch dem Willen der Vertragsparteien und die Vertragsparteien haben insoweit auch nicht gegen eine Schadensminderungsobliegenheit verstoßen, weil ein berechtigtes Interesse gegeben war. Sachliche Gründe wie vorliegend können dazu führen, dass ein zusammengehörender Lebenssachverhalt – hier: der Verkehrsunfall v. 23.9.2011 – nicht als dieselbe Angelegenheit i.S.d. Gebührenrechts zu behandeln ist.

Insoweit wird auf das mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung erörterte Urteil des LG Würzburg v. 11.4.2014 – 42 S 1915/13 Bezug genommen. Dieses Urteil befindet sich beim von der Beklagten überreichten Anlagenkonvolut.

c) Die Höhe des ursprünglichen Anspruchs beträgt 173,74 EUR und berechnet sich wie folgt:

 
Praxis-Beispiel
 
1,3-Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV i.V.m. RVG a.F. aus Streitwert 575,00 EUR   58,50 EUR
1,5-Einigungsgebühr gem. Nr. 1000 VV i.V.m. RVG a.F. aus Streitwert 550,00 EUR   67,50 EUR
Telekommunikationsgebühr gem. Nr. 7002 VV i.V.m. RVG a.F.   20,00 EUR
Zwischensumme 146,00 EUR  
zzgl. 19 % Umsatzsteuer gem. Nr. 7008 VV i.V.m. RVG a.F.   27,74 EUR
ergibt Anwaltsgebühren brutto   173,74 EUR

Die Beträge sind der Höhe nach zwischen den Parteien unstreitig.

Da die Beklagte insgesamt 905,83 EUR bezahlte, der Schadensersatzanspruch des Florian St. 870,13 EUR für die anwaltliche Tätigkeit betrug und sich die Klägerin die Überzahlung der 35,70 EUR anrechnen lässt, beträgt der Restanspruch 138,04 EUR.

d) Die Beklagte kann sich nicht auf § 10 Abs. 1 RVG berufen. Zwar ist es zutreffend, dass die vorgelegte Kostenrechnung nicht an die Auftraggeberin (die Klägerin) adressiert ist, sondern auf die Beklagte ausgestellt ist. Jedoch ist die Mitteilung der Rechnung und damit auch die Adressierung an einen Dritten möglich, wenn der Auftraggeber dies fordert (Burhoff, in: Gerold/Schmidt, RVG, 20. Aufl., § 10 Rn 6). Dies ist regelmäßig bei einem Auftrag an einen Rechtsanwalt, Schäden aus einem Verkehrsunfall geltend zu machen, der Fall.

AGS 1/2016, S. 2

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge